Drachenlanze - Ungleiche Freunde
Letzten
Bleibe« Ärger gemacht hatte.
»Tja, ich sage dir, Junge, es sah wirklich finster aus. Also
nahm ich den Hammer in die Hand«, er umfaßte nachdrücklich
einen Stock, »und dann habe ich ... äh ... und dann ...« Flint
war sich plötzlich bewußt, daß Tanis mit leuchtenden Augen an
seinen Lippen hing.
»Und dann was, Flint?« fragte Tanis aufgeregt. »Hast du mit
allen vieren auf einmal gekämpft?«
»Nun, äh, nicht so richtig«, sagte Flint. Irgendwie klang die
ganze Sache besser, wenn er sie nach ein paar Krügen Bier
erzählte. »Weißt du, da stand dieser Krug auf dem Boden rum,
und, hm, weil es doch dunkel war und ich wirklich nicht
aufpaßte, wo ich hintrat...«
»Du bist gestolpert«, sagte Tanis. Ein Lächeln erhellte sein
Gesicht.
»Ich bin ganz bestimmt nicht gestolpert!« Flint brüllte fast.
»Ich wurde ohnmächtig, und mein Hammer erwischte den
Anführer der Räuber mitten auf der Stirn, genau so.« Er schlug
mit dem Stock auf einen halbverfaulten Apfel. Der Apfel
platzte, so daß der Saft spritzte und Tanis eine wirklich
bildhafte Vorstellung bekam.
»Das ist toll!« sagte Tanis, doch Flint schnaubte, als ob das
gar nichts wäre.
»Manchmal wünsche ich mir, ich wäre in Solance zur Welt
gekommen«, sagte Tanis jetzt leise, während er nach Norden
schaute, in die Ferne, wo Solace lag. Er warf seinen Apfelrest
weg und verabschiedete sich von Flint.
Wie es die Stimme voller Hoffnung erwähnt hatte, als der
Zwerg erstmals in Qualinost aufgetaucht war, waren Flint und
die Stimme erstaunlicherweise in den letzten Monaten wirklich
Freunde geworden. Hätte jemand Flint vor einem halben Jahr
erzählt, daß er ein Freund des Elfenherrschers von Qualinesti
werden würde, so hätte er dem Kerl für diesen Witz sofort ein
Bier spendiert. Obwohl Welten zwischen dem großen,
majestätischen Elfenlord und dem kleinen, geradlinigen Zwerg
lagen, besaßen beide eine Offenheit, die es ihnen leicht machte,
die Kluft zwischen ihnen zu überbrücken.
Und so spazierte Flint nun Seite an Seite mit der Stimme
durch die Gärten des Palasts und redete über ferne Länder und
Zeiten oder saß bei offiziellen Anlässen an der Tafel zur
Rechten der Stimme. Manche Höflinge grollten deswegen,
doch Flint wurde bald klar, von wem Porthios und Laurana ihre
Starrköpfigkeit geerbt hatten.
In den letzten Wochen ließen die Leibwachen im Vorzimmer
der Stimme, auf deren Brustschilden das Wappen von Sonne
und Baum aus Silberdraht prangte, Flint sogar bereits ohne
weitere Kontrolle eintreten. Sie begrüßten ihn grinsend und
winkten ihn weiter, damit er selbst an die Tür zum
Glaswandzimmer klopfen konnte. Und die Kammerdiener der
Stimme hatten strikte Anweisung, die Silberschale auf dem
Tisch der Stimme stets mit jenen Trockenfrüchten und
kandierten Nüssen zu füllen, die der Zwerg besonders liebte.
Heute fiel die Herbstsonne durch die Fenster auf den frischen,
grünen Farn, mit dem man den Boden bestreut hatte, und das
Licht im Raum war sanft wie auf einer Waldlichtung.
Solostaran drückte seine Hoffnung aus, daß Tanis nicht zur
Last würde, wenn er Flint sooft besuchte.
»Pah«, sagte Flint. »Ich kann mir nicht vorstellen, was so
großartig daran sein soll, mit einem übellaunigen Zwerg wie
mir in einer verräucherten Schmiede herumzuhängen. Aber
mach dir keine Gedanken um Tanis. Das ist ein guter Junge.«
Die Stimme lächelte und nickte. »Ja, das denke ich auch.«
Damit stand er auf, ging zum Fenster und schaute in die Ferne,
als würde er über etwas nachdenken. Dann drehte er sich um.
»Tanis bedeutet mir sehr viel, Flint, und ich glaube, er ist auch
dein Freund.
Ich weiß, daß du von den Umständen seiner Geburt gehört
hast, wie mein Bruder Kethrenan von einer Bande
menschlicher Diebe umgebracht und seine Frau Elansa
mißbraucht wurde.« Er seufzte. »Aber ich glaube nicht, daß du
verstehst, wie schlimm diese Zeit wirklich war. Die Monate, in
denen Elansa das Kind in sich trug, waren, als wäre sie schon
tot. Sie wirkte verloren. Und nachdem sie ihn geboren hatte,
starb sie.
Aber Tanis war der Sohn der Frau meines Bruders. Ich
konnte mich nicht von ihm abwenden.«
Es hörte sich so an, als würde die Stimme mit jemandem
streiten, der Einwände geltend machte. »Also brachte ich ihn
hierher zu mir, um ihn wie mein eigenes Kind großzuziehen.«
Er seufzte und setzte sich wieder Flint gegenüber hin. Flint
zupfte an seinem Bart. Das war eine böse Geschichte. »Es gab
Leute, denen meine Entscheidung egal war«,
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