Drachenlord-Saga 02 - Drachenherz
hatte häufig diese Wirkung, selbst wenn sie keine beunruhigenden Nachrichten brachte. Und die Nachricht, daß die Herrin kapituliert hatte, war tatsächlich beunruhigend gewesen.
Wenn man dann noch Lindens Bitte hinzufügte, daß er Raven und Taren bitten sollte, sich für einen Ausflug auf die oberen Weiden bereitzuhalten, war es eigentlich ein Wunder, daß die Musik seiner Harfe nicht jedem die Nerven in dieselben angespannten Knoten zog wie seine eigenen. Raven war begeistert gewesen, Taren hatte Müdigkeit vorgeschützt und wäre beinahe in seine Kammer geflohen.
Tarens Idee war vielleicht gar nicht so übel, dachte Otter finster. Er wußte, was der Ausflug zur Weide bedeutete, selbst wenn Raven das nicht tat. Es war der erste Schritt ihrer Reise; ein erster Schritt, der vielleicht auch das Ende darstellte.
Nama legte den Schreibpinsel hin. Sie bewegte die Schultern, um sie zu lockern, dann betrachtete sie das Papier, das vor ihr lag. Blatt um Blatt war mit Schriftzeichen bedeckt. Sie griff nach dem letzten und betrachtete es kritisch.
Ja, ihre Kalligraphie wurde tatsächlich besser. Onkel würde erfreut sein – das hoffte sie zumindest. Es war nicht leicht, seinem Vorbild nachzueifern; als echter Jehangli-Adliger war er kundig in allen Künsten: Poesie, Malerei, Kalligraphie und vor allem Sh’jer. Sie wäre nie imstande gewesen, Papier mit solcher Geistestiefe zu falten, dachte sie sehnsuchtsvoll.
Wieder griff sie nach dem Schreibpinsel. Sie nahm ein frisches Blatt Papier und kopierte ein kurzes Gedicht von einem der Lieblingsdichter ihres Onkels.
Winterweißer Tiger Der die alten Herbstmänner fällt Beute der Kinder des Frühlings.
Ob sie es wohl wagen sollte, ihm das Blatt zu schenken? Nein, es war eine solche Kleinigkeit, verglichen mit allem, was er für sie getan hatte, daß sie sich nicht traute. Dennoch, sie mußte ihm zeigen, wie dankbar sie für seine Großzügigkeit war; sie mußte sich bei der Arbeit mit ihren Lehrern mehr anstrengen, so daß sie der Heirat, die er ihr versprochen hatte, würdig war.
Wenn sie nur nicht innerhalb dieses kleinen Häuschens und des winzigen Gartens hätte bleiben müssen.
Versteckt innerhalb seines Anwesens. Onkel Jhanun war so altmodisch! Es wäre so schön gewesen, außer Zuia, der Kalten, und den Lehrern auch noch andere Menschen zu sehen. Sie fragte sich, ob überhaupt jemand wußte, daß sie sich hier aufhielt. Niemand kam je zu Besuch.
Nama rollte die Schultern noch ein wenig und bereitete sich darauf vor, weiter Kalligraphie zu üben.
Das Klicken der Sorgenperlen war in der Stille seines Zimmers laut zu hören. Taren ging auf und ab, und die Perlenschnur zog sich endlos durch seine nervösen Finger.
Von allem erdenklichen Pech! Die beiden letzten Dinge, an die er gedacht hätte – den verfluchten Drachenlords Jehangli beizubringen und eines ihrer elenden Tiere zu reiten –, und beides in kaum mehr als einem einzigen Kerzenabschnitt.
Dennoch, er hätte diesen Weg ahnen müssen, bevor er gewarnt war. Beides folgte dem Beschluß, die Drachenlords nach Jehanglan zu schicken, so logisch und unvermeidlich, wie Donner dem Blitz folgte. Diese Farce, ständig den demütigen, heroischen, gequälten Beinahe-Eremiten spielen zu müssen, hatte ihn verdummt. Und das war etwas, was er sich auf keinen Fall leisten konnte. Er hatte hier keine anderen Waffen außer seinem Geist.
Die Perlen bewegten sich jetzt so rasch, daß sich ihr Klicken anhörte wie die kleinen Knochen in einer zharmatianischen Rassel. Das war kein tröstlicher Vergleich. Taren ließ die Perlen in den Beutel an seinem Körper fallen. Aber er hörte nicht auf, auf und ab zu gehen.
Was konnte er also tun? Ihnen Unsinn beibringen? Nein, das würde nur auffallen; einer von ihnen würde sich schon daran erinnern, daß Oogfa nicht dasselbe bedeutete wie zwei Tage zuvor, sollte der Phönix doch seine Krallen in sie schlagen! Es mochte dumm von den Drachenlords sein, diesen Drachen retten zu wollen, aber so dumm waren sie nun auch wieder nicht.
Sollte er ihnen statt dessen einen obskuren Jehangli-Dialekt beibringen? Er kannte ein paar davon, dank seiner Arbeit für Fürst Jhanun. Eine nette Idee, aber auch die würde sich schließlich gegen ihn wenden; sobald ihnen klar wurde, daß die meisten Jehangli sie nicht verstanden oder sie nicht die meisten Jehangli, wäre er entlarvt.
Nein, er würde diesen verfluchten Werdrachen beibringen müssen, Jehangli richtig zu sprechen. Der Gedanke hinterließ
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