Drachenmord (Funny-Fantasy-Serie: Gesandter der Drachen) (German Edition)
überziehen würde, wem er wollte? Bang dachte ich an Nyredds Kinder, die nun vielleicht schon tot waren oder als unrettbare Magerlinge still und leise dahinsiechten? Lynfir? Veshira? Was würde aus Nerade werden, wenn Rolan das Zepter in die Hand nahm? Was aus Anlys, wenn man sie in ihrem Waldversteck endlich doch ausfindig machte?
Ich dachte an die beiden erstochenen Kinder in Hirgars Nachbarhaus. Dann hob ich den Kopf und blickte Niflingyr an.
Ein Drache, der sich fürchtete. Der in meinem Blick nach irgendeiner Art von Ermunterung suchte.
Niflingyr war grausam. Tyrannisch. Eine tückische Bestie, die mir die Hand abgebissen und mich, wie Rolan es nannte, zu einem Krüppel gemacht hatte.
Ich atmete tief ein, hielt Niflingyrs Blick fest und schloss kurz die Augen. Ich sah, wie die seinen sich darauf weiteten und drehte mich zu Orelût um.
„Gut habt ihr euer Blatt gespielt. Hier stehst du und bietest dem Herrn über dem Berg und unter dem Berg die Stirn. Darf ich mich erkundigen, was du da hast, das Macht über drei ausgewachsene Drachen auszuüben vermag?“
Orelût hatte sein schönstes Magierlächeln aufgesetzt.
„Gut, dass du fragst, Anjûl, denn ich erkläre es gerne noch einmal.“ Er streckte den Arm noch weiter durch und ein paar Funken stoben von der Kugel in die Luft. „Was du hier siehst, ist der Schrecken aller Drachen. Ja, das, was du hier siehst, Anjûl, ist die Kugel von Tar Naban! Erschaffen von den Großkönigen von Tar, hat diese Kugel Macht über alles, das auf vier Beinen geht. Jahrhundertelang ruhte sie auf dem Sternenturm von Tar und schützte das Land Tar-Ân vor den Drachen und anderem Gewürm, das es wagte, dem Menschen die Stirn zu bieten. Nun befindet sie sich hier, im Herzen des Drachenreiches. Ich bin ausersehen, mit der Kraft meines Willens diese Kugel gegen jedes Wesen zu richten, das ich auszulöschen wünsche. Zuerst spürt es kurz einen Schmerz – mitten im Kopf ist dieser Schmerz – bohrend, beißend, bedrohlich – und dann unfehlbar, wenn ich es will, sinkt dieses Wesen zu Boden und ist … tot.“
Ich senkte den Kopf, damit Orelût meinen Gesichtsausdruck nicht sah.
„Das habe ich mir gedacht“, sagte ich. „Genau das dachte ich, dass es die Kugel ist, die im Sternenturm Tar Naban auf blauen Samt gebettet lag. Und mit dieser Kugel hast du Nyredd den Silbernen getötet?“
Genüsslich ließ Orelût die Kugel zwischen seinen Fingerspitzen eine Drehung vollziehen.
„Genau damit. Und genau damit werden wir die Herrschaft der Drachen beenden, dieses Land befreien und …“
„Und was?“, fragte eine sanfte Stimme.
Eine schlanke Gestalt ließ sich geschmeidig vom Felsvorsprung über dem Tor fallen, rollte ab und hatte Gomdelin erreicht, ehe irgendjemand soweit war, honigblondes Haar und ein perlenbesticktes Seidenkleid mit Gefahr in Verbindung zu bringen. Sirluîns sehnige Hand riss Gomdelin die Axt weg.
„So, Herr Zwerg! Wenn du nicht deinen Kopf mitsamt deinem bedauerlich ungepflegten Bart verlieren möchtest, dann läufst du schön vor mir her und wir schließen uns dem Gespräch an, das hier geführt wird.“
Gomdelin lief vor Wut rot an, doch gefiel ihm die Axt in Sirluîns Händen wohl doch nicht und er stampfte vor bis zu Orelût.
„Wollen wir doch einmal darüber reden, worum es hier wirklich geht“, sagte Sirluîn.
„Worum denn?“, fragte Rolan hochmütig. „Was weißt du schon darüber, du weibisches Narbengesicht? Hast du dich nicht irgendwann einmal einen Drachenjäger genannt? Schade, dass du aus der Drachenhöhle keine Schätze mitgebracht hast, sondern nur eine hässliche Fratze! Genau wie Anjûl, der …“
„Nenne mich nicht in einem Atemzug mit ihm“, rief Sirluîn. „Und wäre es nicht an der Zeit, die Komödie zu beenden, die ihr hier spielt?“
„Komödie?“, fragte Orelût. „Glaube mir, dass es eher eine Tragödie ist, der man den Titel Der Untergang der Drachen geben wird …“
Sirluîn wirbelte herum und trat Rolan das Schwert weg und gerade als ich mich aufrichten wollte, traf sein zweiter Tritt mein Gesicht und diesmal war er es, der mich an den Haaren herumschleifte.
„Ist es nicht so“, rief er, „dass ihr nun enthüllen könnt, dass ihr von jeher unter einer Decke steckt? Anjûl ist nicht der, der zu sein er vorgibt!“
Ein kleines Männchen mit öligem Scheitel und verknitterten Gewändern drängte sich nach vorne.
Azelôt.
„Genau“, ergänzte er mit seiner pergamenttrockenen Stimme. „Dies, oh,
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