Drachenpfade - Lukianenko, S: Drachenpfade - Ne wremja dlja drakonow
Tropfen in alle Richtungen, klirrten durchdringend und schrill wie splitterndes Glas.
»Ach, diese faule Saat!«, fluchte der Grenzer. »Es ist nicht einmal die Stunde ihrer größten Kraft, aber sieh nur,
wie sie daherkommen! Herrscher, sieh nur, sie schonen ihre Kräfte nicht!«
Trotz klaren Himmels und Sonnenlichts krochen aus den Gassen trübe Nebelschwaden heran. In Windeseile legten sie sich dicht und grau über den ganzen Platz und hüllten den Bahnhof ein. Im lautlosen Ansturm des Nebels glitt etwas heran, schien Gestalt anzunehmen, erhielt ein Gesicht – noch undeutlich, aber schon bedrohlich nah.
»Gleich geht es los, sie sind schon in voller Fahrt …« Der Grenzer zog seinen Morgenstern hervor und wirbelte die stachelige Kugel an der Kette herum. Beiläufig, praktisch ohne auszuholen, hieb er sie in die Wand, und eine Wolke roten Ziegelstaubs trat aus dem Loch, das groß genug war, um einen Kopf hindurchzustecken.
Die Lieblingswaffe des Grenzers war nicht das Schwert, andernfalls hätte Viktor den Räuber im Wald vielleicht nicht so leicht bewusstlos schlagen können.
»Jetzt kommen sie selbst!« Wieder ertönte der Schrei des Jungen, diesmal etwas leiser, dafür ängstlicher.
Und Viktor sah, wie Schatten durch den Nebel schlichen.
Fünf? Acht? Zwanzig?
Wie sollte er sie zählen, wie erfassen durch diesen Mullschleier, diesen dicken milchigen Nebel! Er sah, dass sie im Gleitschritt näher kamen, ohne Eile und ohne sich zu verstecken – wozu auch, in diesem Dunst …
»Sieh nicht hin«, flüsterte ihm der Grenzer zu. Ohne es zu ahnen, war er für Viktor zu einer Art Führer und Kommentator geworden, dessen beiläufige Bemerkungen ihm halfen, das Geschehen zu verstehen.
Die Schatten blieben abrupt stehen.
»He!«, erklang es aus der Milchsuppe. »Viktor!«
Viktor erbebte, antwortete aber nicht.
»Du bist hier, ich spüre deinen Blick!« Eine zweite Stimme war zu vernehmen. Pfeifend, zischend, dünn. »Komm heraus, Viktor. Du kannst dich nicht verstecken! Du bist allein und wir sind viele!«
Der Grenzer blickte Viktor an, als wollte er ihn auffordern, etwas zu sagen. Das hieß also, er musste antworten. Belüge die Soldaten nicht vor dem Kampf, General …
Viktor stieß die Flügel des Fensters weiter auf und rief in den Nebel hinaus: »Wer bist du?«
Die Schatten begannen zu zucken und zu schwanken, offenbar erfreut, seine Stimme zu hören. »Der, der dich holt, Viktor!«
Und wieder überrollte ihn der Zorn, übermannte ihn, wie im Traum; wieder loderte jener Zorn in ihm auf, der den Halbelfen das Leben gekostet hatte und um ein Haar auch den Grenzer …
»Wie kannst du es wagen, du unverschämter Wurm, mich nicht auf Knien anzusprechen?« Viktor verstand selbst nicht, was mit seiner Stimme passiert war, woher sie auf einmal den tragenden, metallischen Klang hatte. »Nenn deinen Namen, du Wurm!«
Der Grenzer erbebte und blickte in stummer Bewunderung zu ihm auf. Der Jüngling daneben griff wie ein kleiner Junge nach der Hand seines Vaters. Und sogar die, die dort im Nebel herumschlichen, prallten zurück.
»Gotor, ich bin der Magier Gotor …«, erklang leise die Antwort. Die Stimme verlor sich, doch nach einem Augenblick war sie wieder deutlich zu vernehmen, voll ätzendem Zorn. »Du hast keine Macht über mich! Du bist ein Niemand! Du bist noch ein Niemand! Gleich wirst du sterben!«
Viktor schüttelte den Grenzer, der in Reglosigkeit verfallen war. »Der da ist meiner! Den bestraf ich selbst!«
»Ja, Herrscher …«
Die Schatten flitzten durch den Nebel. Der Grenzer fletschte die Zähne, während er sie beobachtete. Dann schubste er seinen Sohn zur Tür und postierte sich selbst dort. Viktor überblickte noch einmal die Aufstellung: zwei Jungen an der Tür zu den Gleisen … sehr gut, der Feind würde kaum so dumm sein, nur von einer Seite anzugreifen, der Jüngste stand gebückt am Fenster und blickte hinaus, in der Hand einen kurzen Dolch, der Grenzer selbst bewachte zusammen mit dem vierten Sohn die Eingangstür.
Hervorragend.
Viktor zog sein Schwert aus der Scheide, unbewusst rechnete er damit, dass es sich wieder wie von selbst leicht und gehorsam in seine Hand legen würde, wie im Restaurant …
Irgendwas stimmte nicht.
Er stand da, steif, mit einem Stück geschärften Stahls in der Hand, angestrengt darum bemüht, das Schwert möglichst weit weg von sich zu halten. Der Zorn und die Sicherheit, nein, sie waren nicht verflogen, noch immer kochten in ihm die Wut über
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