Drachenreiter
zusammen, wirbelten schneller und schneller umeinander, bis sich aus der riesigen Säule ein Körper formte, blau wie der Nachthimmel und so groß, dass sein Schatten die ganze Schlucht verdunkelte. Auf seiner Haut, auf Schultern, Armen und dem dicken Bauch funkelten Asifs tausend Augen, klein und glänzend wie Edelsteine.
Ben wich zurück, bis er Lungs Schuppen hinter sich spürte. Schwefelfell und Fliegenbein kauerten sich auf dem Rücken des Drachen zusammen. Nur Lung regte sich nicht und blickte mit erhobenem Kopf zu dem Dschinn hinauf.
»Aaaahhh! Sieh aaaaaaaan!« Der Dschinn beugte sich über sie. Tausend Augen, tausend Bilder leuchteten über ihren Köpfen und Asifs Atem fuhr wie heißer Wüstenwind von einem Ende der Schlucht zum anderen.
»Was haaaaben wir denn daaaaaaa?«, dröhnte der Dschinn. »Einen Drachen, einen echten Drachen. Sooooooo!« Seine Stimme klang hohl wie ein Echo und schallte von einer Felswand der Schlucht zur anderen. »Wegen diiiiiiiiiir hat mir die Haut so sehr gejuckt, dass tauuusend Diener sie mir kratzen mussten.«
»Das war nicht meine Absicht, Dschinn!«, rief Lung zu ihm hinauf. »Wir sind gekommen um dir eine Frage zu stellen.«
»Oooooooooooooh!« Der Dschinn verzog den Mund zu einem Lächeln. »Ich beantworte nuuur Menschen ihre Fragen.«
»Das wissen wir!« Ben sprang auf, strich sich das Haar aus der Stirn und blickte zu dem riesigen Dschinn empor. »Ich stelle dir die Frage, Asif!«
»Oooooh!«, hauchte der Dschinn. »Das Käferlein weiiiß Unseren Namen. Was ist das für eine Fraaaage? Duuu kennst meine Bedingungen?«
»Ja!«, antwortete Ben.
»Guuuut!« Der Dschinn beugte sich noch etwas tiefer herab. Sein Atem war so heiß wie der Dampf aus einem Kochtopf. Ben tropfte der Schweiß von der Nasenspitze.
»Fraaaage!«, hauchte Asif. »Ich könnte guuuuut noch einen Diiiiiener gebrauchen! Einen, der meine Ohren putzt, zum Beispiel. Duuuuuuu hättest genau die richtige Größe.« Ben schluckte. Asifs Gesicht war jetzt genau über seinem Kopf. In seinen Nasenlöchern wuchsen blaue Haare, dick wie junge Baumstämme, und seine spitzen Ohren, die hoch über den kahlen Schädel ragten, waren größer als Lungs Flügel. Zwei riesige Augen, grün wie die einer Riesenkatze, sahen spöttisch auf Ben herab. Er entdeckte sein eigenes Spiegelbild in ihnen, winzig und verloren. In Asifs anderen Augen fiel Schnee auf fremde Städte und Schiffe versanken im Meer.
Ben wischte sich Schweißtropfen von der Nasenspitze und sagte mit lauter Stimme: »Wo finden wir den Saum des Himmels?« Schwefelfell kniff die Augen zu. Lung hielt die Luft an und Fliegenbein begann am ganzen Leib zu schlottern. Ben aber wartete mit wild klopfendem Herzen auf die Antwort des Dschinns. »Der Sauuuum des Himmelsl«, wiederholte Asif. Er streckte sich noch ein paar Meter in den Himmel. Dann lachte er so laut, dass sich Steine von den Wänden der Schlucht lösten und in die Tiefe polterten. Sein dicker Bauch schwabbelte über Bens Kopf, als würde er jeden Moment herunterfallen. »Menschlein, Menschlein!«, dröhnte der Dschinn und beugte sich wieder über den Jungen.
Lung stellte sich schützend vor Ben, aber Asif schob den Drachen sanft mit seiner Riesenhand zur Seite.
»Der Sauum des Himmelsl«, wiederholte er noch mal. »Das fragst du nicht für dich, nicht waaaahr?«
Ben schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Meine Freunde müssen es wissen. Warum?«
»Warum?« Der Dschinn stieß ihm den gewaltigen Zeigefinger vor die Brust, aber Ben spürte da, wo der Riese ihn berührte, nur einen warmen Hauch.
»Waruuuuum?«, dröhnte Asif so laut, dass Fliegenbein sich die Hände auf die Ohren presste. »Duuuuu bist der Eeeerste! Der Eeeeeerste, der nicht für sich fragt, käferkleiner Mensch. Der Eeeerste in so viiiielen tausend Jahren, dass selbst ich sie nicht mehr zäääählen kann. Und deshalb werde ich deine Frage doppelt gern beantworten. Obwohl ich dich soooo gut als Diener brauchen könnte.«
»Du, du, du - du weißt die Antwort?« Bens Zunge klebte ihm im Mund.
»Ooooob ich die Antwort weiiiiiiß?« Der Dschinn lachte wieder. Er ließ sich auf die Knie nieder und hielt Ben seinen blauen Daumen vors Gesicht. »Sieh da hineiiiin!«, hauchte er. »Sieh in mein zweihundertdreiundzwanzigstes Auge. Was siehst du?« Ben beugte sich über Asifs Daumen.
»Ich sehe einen Fluss!«, flüsterte er, so leise, dass Lung die Ohren spitzen musste, um ihn zu verstehen. »Er fließt zwischen grünen Bergen.
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