Drachenritter 04 - Der Drache im Krieg
würde schließlich jeder tun. Ich bin bloß hierhergekommen und habe niemandem Schaden zugefügt...«
Rrrnlf knurrte.
»Ich frage dich noch einmal«, sagte Chandos, »und das ist jetzt das letzte Mal. Wenn du dann nicht antwortest, lasse ich Rrrnlf feststellen, ob er nicht die Wahrheit aus dir herausprügeln kann. Wie viele von euch sind im Augenblick in England?«
»Ich weiß es wirklich...«, begann die Schlange, als Rrrnlf, der seine beiden großen Hände wieder auf dem sich windenden Körper liegen hatte, sich genüßlich daranmachte, jede Hand in eine andere Richtung zu drehen. Die Schlange brach mit einem Schrei ab.
Jim zuckte innerlich zusammen. Er hatte sich damit abgefunden, daß Gewalt in dieser Welt alltäglich war. Wenn man von einem gefangenen Feind eine Information haben wollte, machte man ihm das Leben so schmerzhaft wie möglich, bis er einem entweder sagte, was man wissen wollte, oder an dem Verfahren, mit dem man ihn zum Reden bringen wollte, starb. Aber Jim hatte sich daran nie gewöhnt, und er wußte, daß es ihm auch niemals gelingen würde.
»Laßt mich es noch einmal versuchen«, sagte Jim zu Rrrnlf. Der Seeteufel lockerte seinen Griff.
»Ich weiß es nicht, ich weiß es wirklich nicht - ich kann nur raten...«, brabbelte die Seeschlange mit ihrer schrillen Stimme. »Aber ich werde raten, wenn Ihr das wollt. Ich werde raten. Es sind ungefähr fünfzig oder sechzig von uns. Das ist alles. Nur fünfzig oder sechzig.«
»Wohl eher zweihundertdreißig«, knurrte eine rauhe Stimme hinter Jim und Chandos.
Sie drehten sich schnell um, und Chandos legte instinktiv eine Hand auf das Schwert an seiner Seite, als er sich einem Wolf von der Größe eines kleinen Ponys gegenübersah. Dann erkannte er, daß es sich bei dem Wolf um Aragh handelte, der zusammen mit Angie zu ihnen getreten war, und ließ sein Schwert los.
»Gut. Laßt es, wo es ist, Herr Ritter«, sagte der Wolf, »oder es wird das letzte sein, was Ihr je berührt habt.«
Solche Worte waren eine Kampfansage für jeden Ritter von einigem Mut - und nur wenigen Rittern mangelte es an dieser Eigenschaft. Und zu denen zählte Chandos ganz sicher nicht. Jim ging schnell dazwischen, um Schwierigkeiten im Keim zu ersticken.
»Sir John«, sagte er hastig, »Ihr erinnert Euch gewiß, daß dies einer unserer Gefährten beim Verhaßten Turm war. Außerdem ist er ein guter Freund, und noch dazu jemand, der sich besser in dieser Gegend auskennt als irgend jemand sonst, einschließlich dieser Schlange, die Rrrnlf festhält.«
»Ah«, bemerkte Rrrnlf. »Ein kleiner Wolf.«
»So klein gewiß nicht, Herr Riese oder Teufel oder was auch immer Ihr seid!« blaffte Aragh ihn an. »Und Ihr seid nicht so groß, daß meine Zähne nicht Eure Fersensehnen durchbeißen und Euch hilflos auf den Boden stürzen lassen könnten.«
»Nein, nein, Rrrnlf«, rief Jim, als Rrrnlf die Schlange mit der rechten Hand losließ. »Er hat es nicht so gemeint, wie es in Euren Ohren geklungen haben mag. Laßt mich ihm die Sache erklären.«
Er wandte sich zu Aragh um.
»Aragh«, sagte er, »das ist Rrrnlf, ein Seeteufel. Ein Freund. Er denkt sich nichts dabei, wenn er Euch klein nennt. Er bezeichnet jeden, der nicht so groß ist wie er, als >klein<«.
»Das mag sein, wie es will«, entgegnete Aragh, der Rrrnlf direkt ansah und seine Worte auch an ihn richtete. »Aber ich bin ein englischer Wolf, Herr Seeteufel, und wer auch immer Ihr sein mögt oder wie groß Ihr auch sein mögt, für mich spielt das keine Rolle. Ihr steht auf meinem Land, und das mit meiner Duldung. Wenn James und Angie sich nicht für Euch verbürgen würden, würdet Ihr es trotz Eurer Muskeln und Eurer Größe vielleicht schwieriger finden, mit mir fertig zu werden, als Ihr das für möglich haltet!«
Rrrnlf zögerte und faßte dann wieder nach der Seeschlange.
»Ich verstehe euch Landleute nicht«, sagte er. »Habe ich etwas Falsches gesagt? Ich wollte niemanden kränken. Auf der anderen Seite bin ich, was ich bin, und habe natürlich vor nichts Angst.«
»Das mag sein, wie es wolle«, sagte Aragh in einem Tonfall, der seltsamerweise beinahe befriedigt klang. »Ich nämlich auch nicht. Und auch sonst sollte niemand Angst haben.«
Jim war sich nicht recht sicher, aber die beiden, der Seeteufel und Aragh, schienen einander jetzt mit einer Art gegenseitiger Billigung zu betrachten. Jede gewaltlose Lösung war eine gute Lösung, sagte er sich. Er nutzte die Gelegenheit, um sich kurz mit Angie zu
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