Drachenritter 04 - Der Drache im Krieg
lag. Im vierzehnten Jahrhundert war dieses Gebiet von heidnischen Slawen besiedelt gewesen, und es entsprach den Tatsachen, daß Ritter aus ganz Europa dort hinzogen, um sich im Kampf gegen die Ungläubigen zu erproben.
Plötzlich juckte es Jim an der rechten Seite seines Kopfes, aber als er die Hand ausstreckte, um sich zu kratzen, stießen seine Finger lediglich gegen das harte Metall seines Helms. Sie waren alle vier immer noch in voller Rüstung. Dies konnten die Menschen in dieser französischen Stadt jedoch nicht so auslegen, als seien sie auf Streit aus, da die meisten Ritter in ihrer Rüstung zu reisen pflegten, vor allem, wenn ihr Weg sie durch unsichere Gebiete führte, wo man mit allen möglichen unerwarteten Gefahren rechnen mußte. Außerdem war die sicherste Art und Weise, eine Rüstung zu transportieren, immer noch die, sie anzulegen.
»Aber kommt doch herein, meine Herren«, sagte der Gastwirt und machte einen Schritt nach vorn, um ihnen die Zügel ihrer Pferde abzunehmen. »Kommt herein, und ich lasse Euch sofort einen Krug unseres besten Weins bringen. Anschließend werde ich Eure Rosse höchstpersönlich der Obhut der Stallburschen übergeben!«
Jim und seine Gefährten folgten dieser Einladung. Der Schankwirt ging voran in den gepflasterten Hof des Gasthauses. Die Ställe lagen teils neben, teils hinter der Gaststube. Wieder meldete sich der Juckreiz, aber Jim war ihm hilflos ausgeliefert. Ihm kam der Gedanke, daß sie nun schon ein wenig zu lange in ihrer Rüstung steckten.
Giles und Brian schienen dieses Gefühl jedoch nicht zu kennen. Beide würden sich nach für Männer ihres Schlages typischer Art niemals über die Last ihrer Rüstung beklagen. Und soweit Jim das sehen konnte, dachten sie wohl nicht einmal darüber nach. Wahrscheinlich konnten sie sich in voller Rüstung niederlegen und schlafen, ohne zu bemerken, daß sie vergessen hatten, sie abzulegen.
In der Gaststube war alles so, wie Jim es von ihrem früheren Besuch in Erinnerung hatte. Sie stank ein wenig, war aber kühl - wofür zumindest Jim dankbar war. Auch der Juckreiz verflüchtigte sich.
In Brest herrschte jetzt Sommer, während es bei ihrem Besuch im vergangenen Jahr Frühling gewesen war. Damals hatten sie es mit durchaus angenehmen Temperaturen zu tun gehabt. Jetzt war es draußen, vor allem in der Sonne, deutlich zu warm, um sich wohl zu fühlen, vor allem in dieser verwünschten Rüstung. Jim hätte nichts lieber getan, als auf der Stelle auf sein Zimmer zu gehen und die Rüstung abzulegen. Aber nach dem überschwenglichen Willkommen des Wirts mußte der Höflichkeit Genüge getan werden. Da der Schankwirt solches Aufhebens um sie machte, war es ihre Pflicht, seine Aufmerksamkeit auf geziemende Weise entgegenzunehmen. Damit wurde auf beiden Seiten klargestellt, daß eine solche Behandlung nicht mehr und nicht weniger war als das, was ihnen rechtmäßig zustand.
Ein Diener hatte augenscheinlich schon auf sie gewartet, denn in dem Schankraum, in den sie nun geführt wurden, standen bereits ein Krug auf dem Tisch und daneben die dickwandigen, grünlichen Gläser. Der Diener schenkte ihnen Wein ein, und Jim leerte hastig sein Glas. Der Wein war herrlich kühl, und er war durstiger, als er gedacht hätte. Der Diener füllte sämtliche Gläser wieder nach - Brian und Giles hatten die ihren mit einem einzigen Zug geleert. Noch einmal tranken sie aus, dann schenkte der Diener allen abermals nach und entfernte sich.
Brian streckte die Beine von sich und stützte sich mit den Ellbogen auf den Tisch.
»Da wären wir also wieder mal in Frankreich«, sagte er.
»Ja.« Jim sah sich um, um sicherzugehen, daß keine Diener in Hörweite waren. »Da draußen hattet Ihr wirklich Eure fünf Sinne beisammen, Brian.«
»Ha! Was sonst hätten drei englische Ritter außerhalb Englands zu tun - wenn sie nicht zugeben dürfen, daß sie sich in Frankreich herumtreiben -, außer im Osten gegen die Heiden zu kämpfen?« Brian hatte sein Glas bereits wieder zur Hälfte geleert.
Brians Erwähnung von drei Rittern erinnerte Jim an Dafydd. Er sah sich im Schankraum um, und tatsächlich, an einem der langen Gemeinschaftstische saß Dafydd ganz allein mit seinem eigenen Krug und Becher. Er hatte sich des Unterschiedes ihrer Stellung entsonnen, auch wenn Jim ihn vergessen hatte. Allerdings, überlegte Jim, schien er der einzige gewesen zu sein, der diesen Umstand vergessen hatte. Sowohl Brian als auch Giles hatten es für vollkommen
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