Drachenritter 04 - Der Drache im Krieg
draußen in den Sümpfen jemals gewesen war, er hatte es nie getan. Jetzt befand sich die Perle im Besitz eines französischen Drachen.
»Ja«, erwiderte Secoh schlicht.
Jim bemerkte den schwachen, feuchten Schimmer in den kleinen Drachenaugen.
»Keine Angst, Secoh«, sagte er. »Ihr bekommt Eure Perle zurück. Ich geb Euch mein Wort darauf, sowohl als Ritter wie auch als Magier. Ich hole Euch diese Perle zurück, auch wenn alles andere in die Brüche geht!«
»Oh, vielen Dank, Euer Lordschaft!« rief Secoh. »Vielen Dank!«
Die Krallen seiner Vorderpfoten zitterten; offensichtlich war der Drache versucht, Jims Hand zu ergreifen, und nach Georgmanier zu küssen. Aber er wußte nicht recht, welchen Schaden er mit seinen Krallen anrichten würde, wenn er es versuchte. Jim bemerkte, daß er ein äußerst schlechtes Gewissen hatte.
»Dann wollen wir kein Wort mehr darüber verlieren«, meinte er schroff.
»Jawohl, Mylord«, sagte Secoh, der seine Klauen dankbar wieder dicht an seinen Körper zog.
Aber wenn Secoh nun auch Zuversicht und Hoffnungsfreude verströmte, verspürte Jim doch den ersten scharfen Stich einer mehr als unbedeutenden Unbehaglichkeit und Besorgnis. Zwischen den Schlitzen der geschlossenen Fensterläden konnte man nun zweifelsfrei die ersten hellen Lichtstrahlen des Tages erkennen.
»Giles und Brian waren die ganze Nacht unterwegs«, sagte er zu Secoh - oder eher zu sich selbst. Irgendwie war es ihm ein Trost, seine vagen Befürchtungen in Worte fassen zu können. »Und wenn ich so recht darüber nachdenke, habe ich sie seit gestern nachmittag nicht mehr zu Gesicht bekommen. Und wenn ich noch weiter nachdenke, ist Dafydd die ganze Nacht nicht aufgetaucht. Er wollte sich in die Schankstube setzen. Ich mache mich wohl besser auf die Suche nach ihnen.«
»Ich begleite Euch!« erbot sich Secoh eifrig.
Die Worte des Drachen ließen Jim wie angewurzelt stehenbleiben. Er hatte bisher noch nicht darüber nachgedacht, was passieren mochte, wenn Secoh von irgend jemandem im Gasthaus entdeckt wurde, ganz zu schweigen davon, daß ihn bei hellem Tageslicht wahrscheinlich die Hälfte der Bevölkerung von Brest zu sehen bekommen würde.
»Ihr könnt nicht...«, begann er. Er dachte hastig nach. »Ihr dürft Euch auf keinen Fall von den Leuten hier im Gasthaus oder in der Stadt sehen lassen, nicht in Eurer Drachengestalt. Ein Drache in unserer Gesellschaft würde mit Sicherheit unerwünschte Aufmerksamkeit auf uns lenken - wenn nicht weit Schlimmeres. Ich werde Euch tarnen müssen.«
»Oh!« rief Secoh. »Was heißt >tarnen«
»Ich zeige es Euch«, sagte Jim.
Er schrieb auf die Innenseite seiner Stirn:
SECOH VERWANDELN IN MENSCHLICHE -> GESTALT
Eine Sekunde später stand vor ihm - nackt natürlich -ein ziemlich schrumpliger, kleiner Mann, der noch recht jung war, dessen Gesicht und Körper aber die Spuren jahrelanger Entbehrungen zeigten. Sein Haar war von derselben Farbe wie vordem seine dunkle Drachenhaut. Seine Nase war lang und dünn, sein Mund breit und das Kinn fest, aber klein. Die Schultern waren schmal, die Arme und Beine ebenso dünn wie sein Körper. Er war vielleicht einen Meter fünfundfünfzig groß.
Er blickte an sich hinab.
»O nein!« rief er, mit einem Anflug von Qual in der Stimme.
18
J IM WURDE AUGENBLICKLICH bewußt, was er da getan hatte. Er hatte den einen Aspekt des Drachencharakters, der selbst ihm schon aufgefallen war, vollkommen vergessen.
Die Drachen waren nicht für ihre Intelligenz berühmt. Außerdem waren sie in vieler Hinsicht, obwohl sie wie Menschen reden konnten, ein eher tierisches Äquivalent der mittelalterlichen Menschen, mit denen Jim jeden Tag zu tun hatte. Ihre erste Sorge galt ihrem persönlichen Überleben und ihren Besitztümern. Angeblich hatten sie sich zwar höheren Werten verschrieben, aber das waren lediglich Lippenbekenntnisse.
Aber eine Eigenschaft hatten sie, die Jim erst nach einer ganzen Weile klargeworden war; vielleicht deshalb, weil die Drachen selbst nie davon sprachen. Anscheinend hielten sie es einfach bei sich und anderen Drachen für selbstverständlich, daß sie gewaltig stolz waren zu sein, was sie waren - Drachen.
Um diesen Stolz zu verteidigen, würden sie sich sogar in einen Kampf stürzen, den zu vermeiden sie sich ansonsten sehr bemüht hätten.
Rückblickend hatte Jim, nachdem er dies herausgefunden hatte, besser verstanden, warum Smrgol - der Großonkel von Gorbash, den ein Schlaganfall in hohem Alter
Weitere Kostenlose Bücher