Drachenschwester 01 - Thubans Vermächtnis
jetzt?«, fragte Sofia. » Was hat die Vision genau zu bedeuten? Etwa dass eine der Früchte auf dem Grund des Sees liegt?«
» Wahrscheinlich.«
Sofias Herz begann schneller zu schlagen.
» Und wie sollen wir da runterkommen? Dazu braucht man doch eine spezielle Ausrüstung und außerdem ist der See nicht gerade klein …«, bemerkte Lidja, die sich schon voll auf die Mission eingestellt zu haben schien.
» Ich verfüge über alles, was wir dafür brauchen«, beruhigte sie der Professor. » Macht euch keine Gedanken, da wir den Ort kennen, ist das größte Problem schon gelöst.«
» Das heißt … wir sollen tauchen?«, fragte Sofia mit großen Augen.
Ihr Vormund nickte.
Ich kann mich gerade so über Wasser halten, dachte Sofia leicht panisch, und getaucht bin ich noch nie. Aber sie bemühte sich, sich nichts anmerken zu lassen. Selbstsicherheit war jetzt gefragt.
» Morgen Abend sollten wir so weit sein«, erklärte der Professor. » In der Dunkelheit ist die Chance größer, ungestört zu bleiben.«
14
In den Tiefen des Sees
Den nächsten Tag verbrachte Sofia in heller Aufregung. Allein schon die Vorstellung, nachts in den See hinabzutauchen, ließ sie vor Kälte und Angst erschaudern. Wunderschön und faszinierend war der See, aber nur über dem Wasser. Darunter wimmelte es wahrscheinlich von fetten Fischen und ganzen Wäldern dieser roten Algen, die man schon vom Ufer aus sah. Der See schien sehr tief zu sein, denn die Uferböschungen fielen steil ab. Es war keine verlockende Vorstellung, dort hinabzutauchen, um Steine zu suchen.
Aber Bauchschmerzen machte ihr nicht nur, dass sie zum ersten Mal tauchen würde, sondern auch, dass sie nicht auf die Hilfe des Professors zählen konnte. Dieser würde sie nur zu einer bestimmten Stelle bringen und dort auf sie warten. Die Früchte, so hatte er ihnen erklärt, könnten nur von auserwählten Geschöpfen wahrgenommen werden, und als Hüter gehöre er nicht dazu. Er habe übrigens den Grund des Sees schon sorgfältig abgesucht, aber absolut nichts gefunden. Trotzdem war er sicher, dass die Frucht des Weltenbaums sie dort unten beschützen würde. Sofia hoffte, dass es auf dem Seegrund wenigstens nicht zu dunkel sein würde.
Am Abend aßen sie zunächst in andächtiger Stille. Der Professor hatte beschlossen, vorsichtshalber erst gegen Mitternacht das Haus zu verlassen. Bis es so weit war, warteten sie gemeinsam in der Bibliothek und versuchten allesamt, an etwas anderes zu denken. Sofias Hände waren vor Aufregung schweißnass. Die ganze Zeit starrte sie aus dem Fenster, wo das Licht des Vollmonds durch das Geäst strahlte, und hörte, wie die Pendeluhr mit Unheil verkündendem Ticken die Minuten zählte.
DOMPF. Der Professor hatte sein Buch zugeschlagen.
» Es ist Zeit.«
Wieder durchquerten sie das Labyrinth, nahmen aber einen anderen Weg, den Sofia und Lidja nicht kannten.
» Das Haus hat einen verborgenen Zugang zum See. So müssen wir nicht ans Ufer und kommen außerdem leichter ins Wasser mit unseren Geräten«, erklärte der Professor geheimnisvoll.
Eine ganze Weile liefen sie durch fremde Räume und Gänge, in denen die beiden Mädchen bald die Orientierung verloren. Irgendwann gelangten sie in einen weiten Saal mit einer meterhohen Stahltür an einer Seite, die massiv wie eine Tresortür aussah. Dort wartete Thomas auf sie, der sie mit einer Verbeugung begrüßte. Neben ihm lagen drei altertümlich aussehende Taucheranzüge, wie sie Sofia nur im Film gesehen hatte. Und sie hatte gedacht, sie würden moderne Tauchanzüge benutzen. Das konnte ja heiter werden.
» Wow, das sind ja Helmtauchgeräte!«, rief Lidja aufgeregt und stürzte zu den Anzügen, die Sofia wie vorsintflutliche Hinterlassenschaften aus Kriegszeiten vorkamen.
» Genau. Das sind Familienerbstücke«, antwortete der Professor.
Sie glänzten und sahen neu wie frisch aus der Fabrik aus, besaßen jedoch den typischen Retrocharme, der fast allen Dingen des Professors anhaftete.
Sofia schluckte. Sie war sich alles andere als sicher, ob sie diesen Gerätschaften trauen konnte.
» Ist das U-Boot einsatzbereit?«
» Ja, Herr Professor, wir sind startklar.«
Sofia fuhr herum. » Ein U-Boot?«, fragte sie entgeistert.
Auch Lidja staunte: » Echt? Wir fahren mit einem U-Boot?«
Der Professor nickte ungerührt, setzte sich die Brille auf der Nase zurecht und erklärte lehrerhaft: » Gewiss. Das U-Boot habe ich vor einigen Jahren günstig erworben, gebraucht natürlich, aber Thomas
Weitere Kostenlose Bücher