Drachenseele (German Edition)
Marcus!“
„Klar! Und ich bin der Papst.“
Nicole seufzte tief, „ich weiß, das ist unvorstellbar.“
Schwere Müdigkeit legte sich auf seine Gedanken. Narvalvar spürte deutlich, wie Nicole in seiner Wunde herumhantierte. Sein quälender Durst schmerzte in seiner Kehle, wie nie zuvor. Er fühlte sich schwach.
„Aber ich kann ihn doch nicht hier allein zurück lassen.“
„Und wie du das kannst. Ich kann unsere Eltern nicht länger hinhalten.“
„Sven! Bitte! Jemand muss hier bleiben, ihm etwas zu trinken geben.“
„Komm jetzt!“ Seine Worte duldeten keinen Widerspruch.
Narvalvar spürte, wie Nicole sich an seinen Hals schmiegte. „Ich liebe dich“, flüsterte sie. Wahrscheinlich zerrte sie Sven fort. Ihre Hände verschwanden von seinen Schuppen, Schritte entfernten sich. Unheimliche Stille füllte den Raum. Immer noch quälte ihn dieser entsetzliche Durst. Seine Gedanken kamen nur langsam in Gang, wie eine zähflüssige Masse, die sich auszubreiten versuchte. Er überlegte, welcher Tag heute war, vermutlich Samstag. Er musste auf die Beine kommen, um sich zu verwandeln, um morgen seinen Flug zu erwischen. Bedäc h tig bewegte er seinen rechten, dann seinen linken Flügel. Ja, er spürte ihn wieder, auch seinen Kopf konnte er unter erträgl i chen Beschwerden heben. Blinzelnd öffnete er die Augen. N e ben ihm standen zwei geöffnete Wasserflaschen.
Nicole! Sie war unersetzlich, ein wahrer Schatz. Vorsichtig legte er sein Maul um die Flaschenöffnung, biss sacht zu und hob seinen Kopf. Das Wasser schmeckte einzigartig köstlich. Nac h dem er beide Flaschen geleert hatte fühlte er sich schon viel besser. Das reichte aber nicht. Wenn er heute Nacht keine Na h rung bekam, fehlte ihm weiterhin die Kraft sich zu verwandeln. Es gab nur einen einzigen Weg. Zähne zusammenbeißen und fliegen. Nebenan im Raum mit den Terrassentüren schaute sich Narvalvar um. Hier lagen nur Fetzen seiner menschlichen Kle i dung. Das war unbrauchbar. Er zwängte seinen Kopf nach draußen. Noch war es nicht richtig dunkel. Die umliegenden Wohnungen schreckten ihn ab. Die Gefahr von jemandem g e sehen zu werden, war hier zu groß, doch welche Möglichkeit blieb ihm? Durch Nicoles Hilfe sah er sich überhaupt wieder in der Lage zu fliegen. Er atmete schwer. Nach all dem, was Nic o le für ihn getan hatte, wünschte er sich sehnlichst sie zu uma r men, sie zu beschützen, sie zu lieben. Ihm war klar, dass es d a für keine Gelegenheit mehr geben würde. Während er in Eri n nerung an die gemeinsame Zeit mit ihr schwelgte, erschienen die Sterne am nächtlichen Himmel, sowie der Halbmond, der für ihn wie ein Kalender der Verwandlung war. Er zwängte sich nach draußen, stellte sich aufrecht hin, um mit seinen Flügeln zu flattern. Narvalvar meinte, seine Schulter würde zerreißen. Er presste sein Maul zusammen, kämpfte gegen die Beschwe r den, die er mit seinem Flügelschlag auslöste. Er flatterte noch kräftiger, um sich schließlich in die Luft zu erheben. Weit kon n te er heute nicht fliegen, zumal er Mühe hatte gleichseitig den Flüge l schlag auszuführen. Mal flog er schief mit Schlagseite, dann mehr im Kreis, vermutlich ein grässlicher Anblick.
In den nächstbesten See tauchte er ins Wasser. Das kühle Nass tat seinem Flügel sehr gut, aber diese trübe Brühe offenbarte nur wenige Fische, die obendrein noch viel zu klein w a ren. Dafür begnügte er sich mit Krebsen und Muscheln. Seine Schwimmbewegungen verursachten nicht geringere Beschwe r den als das Fliegen. Narvalvar spürte ziemlich schnell ein Sätt i gungsgefühl, dabei hatte sich sein Hunger so bombastisch ang e fühlt. So beschloss er den Rückweg anzutreten.
Wie er die Dächer der Stadt überflog wurde ihm klar, er kannte nur einen Weg, den in seine Wohnung. Das geschlossene Fenster schreckte ihn nicht ab. Mit den Flügelkrallen voraus durchbrach er die Scheibe, vermutlich hatte er es damals genauso gemacht, als er aus dem Krankenhaus flüchtete. Wie er in seinem Wohnzimmer neben den Scherben landete, verwandelte er sich augenblicklich in seine menschliche Gestalt zurück.
Geschafft!
Mit seiner schmerzenden Schulter schleppte er sich ins Bett, schlief mehr unruhig, mehr oberflächlich. Am Morgen beim Aufstehen setzten ihm Schwindel, Übelkeit und innere Hitze zu. In seinem Bett leuchtete ein großer Blutfleck. Nach der Anstrengung von heute Nacht war dies kein Wunder. Aus seiner Reisetasche zog Marcus passende Kleidung heraus. Mit nur einem
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