Drachensturm
abzuwenden.
Sein Bruder starrte ins Nichts und murmelte Kemaqs Worte noch einmal vor sich hin. Kemaq drängte: » Du musst Huaxamac warnen. Denn Melap sagte mir, dass in dieser Stadt der Tod auf uns wartet.«
Qupay war blass geworden, aber dann schüttelte er den Kopf: » Eben hast du noch gesagt, dass man ihm nicht trauen könne, jetzt berufst du dich auf seine Warnung – du redest wirres Zeug, Kemaq.«
» Weißt du denn, was er Huaxamac gesagt hat?«
» Er sagte, der Tag werde in der Farbe der Sonne enden, was natürlich Glück verheißt. Was also sollte ich Huaxamac sagen? Dass ich dir verraten habe, dass er nicht selbst die Zeichen deutet? Und dass ein einfacher Chaski mehr weiß als er und alle anderen Priester? Nein, da könnte ich mir auch gleich selbst die Kehle durchschneiden. Vergiss diesen Unsinn, kleiner Bruder. Und rede vor allem mit niemand anderem über diese bösen Gedanken. Es könnte uns sonst sehr schaden.«
Kemaq hörte mit wachsender Verbitterung zu. Qupay würde ihm nicht helfen, weil er zu viel Angst hatte. In gewisser Weise konnte er ihn sogar verstehen. Huaxamac würde sich nicht bloßstellen lassen, nicht von einem einfachen Priester des Steinvolkes, und schon gar nicht von einem Läufer. Aber es musste doch einen Weg geben, ihn zu warnen.
Lauter Hufschlag lenkte ihn ab. Ein Reiter kam aus der Stadt heraus. Es war kein Krieger, sondern ein schmächtiger älterer Mann in braunem Gewand. Kemaq erkannte ihn wieder, es war jener freundliche Priester, der die Botschaft Atahualpas übersetzt hatte. Er preschte auf die Mitte des Lagers zu, dort, wo Krieger begannen, für Atahualpa ein großes Zelt zu errichten. Kemaq sah hinüber. Der Fremde sprach mit einigen Würdenträgern, riss sein Reittier herum und verschwand wieder in Caxamalca. Kemaq hätte zu gerne gewusst, was dort beredet worden war, aber das würde er schon noch früh genug erfahren. Er musste Huaxamac aufsuchen. Was er vorhatte, war gefährlich für ihn und seinen Bruder, das wusste er, aber er sah keine andere Möglichkeit mehr, jetzt, da Qupay ihm nicht helfen wollte.
Nun hatte Mila doch die Festung verlassen. Am Arm ihres Großonkels eilte sie hinunter zum großen Platz. Er wirkte verlassen, und Don Mancebo, der sie mit Balian begleitete, raunte ihr zu, dass kein einziger Spanier zu sehen sei.
» Aber ich höre Stimmen«, sagte Mila.
» Natürlich, dort vorn sind die Pizarros«, murmelte der Hochmeister.
Mila lauschte. Es klang, als befänden sie sich in einer schmalen Gasse zwischen hohen Gebäuden. Ein leichter Schwefelgeruch verriet ihr, dass auch der Alchemist hier war.
» Don Maximilian? Habt Ihr Euch doch entschlossen, uns die Ehre Eurer Gesellschaft zu geben?«, begrüßte sie Francisco Pizarro gallig.
» Ich habe befürchtet, Ihr wärt zu beschäftigt, um uns noch mitteilen zu lassen, was hier vor sich geht. Dieser Sorge wollte ich Euch entledigen, Don Francisco«, erwiderte der Hochmeister kühl.
» Verzeiht, dass mein erster Gedanke nicht jenen Rittern galt, die uns bei einem Kampf im Stich lassen wollen«, gab Pizarro bitter zurück.
» Um Christi willen, Ihr Herren, für Streitereien ist jetzt keine Zeit«, rief Pater Valverde.
» Ihr habt Recht, verzeiht bitte«, sagte Pizarro knapp, und auch der Hochmeister bat kühl um Vergebung.
» Sagt, warum lagern die Indios?«, fragte Mila, die endlich erfahren wollte, was geschah.
» Der Inka will erst morgen in die Stadt einziehen, Condesa, und zwar nicht allein, sondern mit zehntausend Kriegern«, sagte Fray Celso, der, wie Mila erfuhr, ebenjener Bote war, der hin- und hergehetzt wurde.
» Zehntausend? Das ist furchtbar.«
» Es ist schlimmer, dass er erst morgen kommen will«, sagte Francisco Pizarro.
» Aber was macht das noch für einen Unterschied?«, fragte Mila.
» Einen gewaltigen, Condesa Milena«, antwortete Francisco Pizarro düster. » Unsere Männer brennen auf die Entscheidung, aber diese Spannung ist nicht einen ganzen Tag und noch eine weitere Nacht auszuhalten. Wir müssen Atahualpa dazu bringen, noch heute in die Stadt zu kommen.«
Mila schoss ein Gedanke in den Sinn: Warum nicht behaupten, das Festmahl sei bereits vorbereitet und unmöglich zu verschieben? Das war, wie sie fand, ziemlich überzeugend, aber etwas in ihr sträubte sich dagegen, es vorzuschlagen. Diese Einladung war eine hinterhältige Falle, und sie hatte schon zu viel dazu beigetragen, den Inka hineinzulocken.
» Warum sagt Ihr nicht einfach, die Tafel sei bereits
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