Drachensturm
herauszufinden, dass es im Grunde genommen genau so war, wie sie es erwartet hatte: Der Hochmeister, Graf Tassilo und der Conte di Collalto standen als Ordensmeister wieder an der Stirnseite der Kammer. Auf der Fensterseite fanden sich die Ritter, die zum Alten Zweig gezählt wurden. Die Bindungen ihrer Familien an den Orden stammten noch aus einer Zeit, als dieser seine Heimat im Reich und weit im Osten gehabt hatte, auch wenn es fast keine Deutschen mehr unter ihnen gab. Balian von Wolfegg und Tassilo von Neiblingen aus Schwaben waren Ausnahmen. Dann waren da der Flame Robert de Lanois und Waleran de Martel aus Burgund, außerdem Sir William Lysle of Thruxton, ein Engländer. Ihnen gegenüber hatten sich die Ritter des Jungen Zweigs zusammengefunden. Ihre Familien hatten sich erst während der Jahre der Reconquista, der Rückeroberung Spaniens von den Mauren, an den Orden gebunden. Don Rodrigo war einer von ihnen gewesen. Mila wusste längst, dass Spanier nicht gleich Spanier war. Fragte man Don Juan Gómez de Zúñiga, den Sprecher des Jungen Zweiges, nach seiner Herkunft, so gab er an, Katalane zu sein. Don Carlos und Don Xavier waren stolze Kastilier, Don Alfonso de Pacheco hingegen stammte ebenso aus Andalusien wie Don Mancebo, wollte mit dem konvertierten Mauren aber nicht viel zu tun haben. Mila blieb in der Nähe der Tür. Sie war eine Schildmaid, und es gab unausgesprochene Regeln. So blieben zum Beispiel bei Tisch die Meister ebenso unter sich wie die Ritter, und Mila fand sich dort, ebenso wie jetzt, in der Gesellschaft der Schildknappen wieder.
Fray Celso eröffnete die Versammlung mit einem Gebet, und dann bat der Hochmeister die ausgesandten Späher um ihre Berichte. Sir William Lysle begann in seiner üblichen kühlen Art: » Ich flog mit Schamasch zunächst nach Osten. Wie Pizarro es uns angeraten hatte, hielt ich Ausschau nach den Hütten, in denen ihre Boten hausen. Ich fand derer vier entlang der Straße, und Schamasch hat sie zerstört. Er war nicht sehr glücklich damit, dass wir auch die Männer dort töteten, aber er hat seine Pflicht erfüllt.« Sir William legte eine kurze Pause ein, als wolle er den Versammelten die Möglichkeit zur Abgabe eines Kommentars geben, doch es blieb still. » Wir wandten uns dann nach Süden. Das Land dort ist nicht sehr fruchtbar. Ich glaube, abseits der Flüsse kann man es getrost als Wüste bezeichnen. An der Küste gibt es weitere Dörfer, wie Ihr vermutlich wisst, aber ich sah weit und breit keinen Ort, der an die Größe dieser eigenartig menschenleeren Stadt heranreicht. Entlang der Küste gibt es eine Straße, aber wir fanden die Botenhütten dort bereits zerstört.«
» Das war ich, mit Behemoth«, erklärte Balian von Wolfegg stolz. » Ich glaube nicht, dass uns auch nur einer von diesen Indios entwischt ist.« Sein Bericht unterschied sich nicht sehr von dem des Engländers, nur dass Behemoth, sein Drache, nichts dagegen gehabt zu haben schien, die Boten zu töten.
Auch im Norden hatten die ausgesandten Ritter mit ihren Drachen die Nachrichtenlinien des Feindes zerstört. Mila hörte sich die Berichte an. Es gab nirgendwo Anzeichen für ernsthaften Widerstand, allerdings hatten die Ritter Ansiedlungen auch gemieden, aus Gründen, die nicht jedem von ihnen einleuchteten.
» Ich möchte noch einmal die Frage stellen«, meinte der Flame Robert de Lanois, » warum wir uns so zurückhalten. Wir haben mit dreizehn Rittern diese riesige Stadt genommen, und ich traue mir zu, jedes elende Dorf in diesem Land mit einem einzigen Drachen zu erobern.«
» Es ist nicht an Euch, die Strategie des Ordens in Frage zu stellen, de Lanois«, wies ihn der Tressler zurecht, nur um im selben Atemzug hinzuzufügen: » Allerdings beschäftigen mich ganz ähnliche Gedanken.«
Ein leises Raunen zeigte, dass den meisten Rittern dieser Affront nicht entgangen war. Mila verschlug es die Sprache. Das war ein kaum verborgener Angriff auf den Hochmeister und den Marschall.
» Ich verstehe Eure Ungeduld, Ihr Ritter«, erklärte der Hochmeister bedächtig, womit er dem Tressler gleichzeitig zu verstehen gab, dass er kein Verständnis für Ungeduld bei einem Meister aufbrachte. » Im Augenblick geht alles sehr leicht. Wir haben gesiegt, fast ohne Verluste, und die Waffen der Eingeborenen scheinen nutzlos. Dennoch ist es unsere erste Aufgabe, diese Stadt, oder wenigstens diese Festung, als Basis für Pizarro und seine Flotte zu sichern.«
» Eine Aufgabe, die wir selbst gewählt
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