Drachensturm
Mila, den Feind kurz aus dem Auge, aber sie roch und spürte die Nähe des mächtigen Leibes. Sie hätten ihn beinahe gerammt und mussten nun unter seiner Schulter sein. Mila duckte sich und blind – nein, instinktiv – stach sie zu. Es knirschte, und die gehärtete Stahlklinge fuhr durch Nergals Schuppen und hinein in seinen Leib. Der Getroffene heulte auf, es klang beinahe mehr nach Überraschung als nach Schmerz, er schlug wild mit den Klauen nach ihnen und versuchte mit einem ungelenken Flügelschlag, Abstand zu gewinnen. Der Flügel traf Mila hart, und beinahe wäre ihr der Stab aus der Hand gerissen worden. Aber sie hielt ihn krampfhaft fest, und mit einem hässlichen Knirschen löste sich die Klinge aus der Drachenschulter. Nabu ließ seine Flügel ausgreifen. Wieder brüllte Nergal auf, und jetzt war Nabu hinter ihm. Nergal wandte den Kopf, und Mila erschien es beinahe angstvoll, wie er sie anstarrte, und dann erlosch dieses Bild im Feueratem Nabus, der Nergals Leib umhüllte und ihn durchdringend aufheulen ließ. Dann legte er die Flügel an und fiel jammernd in die Tiefe. Der Jubel blieb Mila im Hals stecken, denn als sie glaube, der mächtige Drache würde im Wald zerschellen, spreizte er die schwarzen Flügel, fing sich ab und eilte in einem seltsam taumelnden Flug davon.
» Ihm nach!«, rief Mila, vom Kampffieber erfasst.
» Nein, Milena, er hat genug«, entgegnete Nabu keuchend. » Und ich im Übrigen auch. Er hat mich am Rücken erwischt.«
Kemaq starrte hinauf. Irgendetwas geschah dort oben, aber das dichte Dach der Blätter entzog es seinen Blicken. » Sie kämpfen«, meldete einer der Späher aus dem Wipfel, und Kemaq hörte die Drachen brüllen. » Nur einer trägt einen Reiter«, rief der Späher weiter. » Es ist die goldhaarige Fremde, von der wir gehört haben.«
Dann heulte einer der Drachen durchdringend auf. Ein Klagelaut, der rasch leiser wurde. » Es ist entschieden«, wurde gemeldet. » Der schwarze Gott flieht. Und seine Schuppen, es steigt Rauch von ihnen auf.«
» Was macht der andere Yaya?«, fragte der Grauhaarige.
» Er hält wieder auf uns zu«, lautete die Antwort. » Ich glaube, er hat den Regenbogen entdeckt.«
Der Grauhaarige nickte grimmig und hob die eigentümliche Flöte an die Lippen.
» Was hast du vor?«, fragte Kemaq verwundert.
» Ich halte ihn auf. Und du lauf endlich, und es ist besser, wenn du dir dabei die Ohren zuhältst.«
» Du bist verletzt? Wie schlimm ist es?«, rief Mila erschrocken.
» Nicht schlimm«, behauptete Nabu mit gepresster Stimme.
» Was, wenn Nergal zurückkommt?«
» Ich denke, er hat genug. Dieser Narr hat seine Augen nicht geschützt, als ich Feuer spie«, keuchte Nabu.
» So ist er blind?«, fragte Mila hoffnungsvoll.
» Zumindest für einige Zeit, Prinzessin, zumindest für einige Zeit. Aber warte, ich muss zu Atem kommen.«
Für einige Augenblicke kreisten sie schweigend über dem dichten Dschungel, und Nabu stieg dabei langsam wieder höher auf.
» Da, der Regenbogen!«, rief er und änderte den Kurs.
Mila nickte, sie hatte den Tempel fast vergessen. Dieser Kampf – der Ausgang war denkbar knapp gewesen, und irgendwie hatte sie ein ungutes Gefühl, während Nabu sie mit langsamen Flügelschlägen näher an ihr Ziel herantrug. Nergal mochte besiegt sein, aber etwas anderes beunruhigte sie plötzlich. Sie wusste erst nicht, was es war, aber dann drang es in ihr Ohr. Ein Ton, überlagert von einem anderen Ton, sanft und schneidend zugleich. Sie erbleichte. » Nabu!«, schrie sie, » lande! Lande sofort!«
» Was hast du?«, fragte der Drache.
» Der Ton! Lande! So lande doch!«
Nabu stöhnte auf. Ein Ächzen entrang sich seiner Brust. Mila hielt sich die Ohren zu – der Ton war so stark geworden, dass sie das Gefühl hatte, er würde mitten durch sie hindurchschneiden.
» Mila«, stöhnte Nabu und verlor rasch an Höhe. » Ich kann nicht …«, begann er und endete in einem Keuchen. Seine Flügel zuckten, er begann zu taumeln. Mila sah den Dschungel als verschwommenes Flammenmeer auf sich zurasen. Die Verbindung schwand, und es wurde dunkel. Verzweifelt klammerte sie sich an das Reitgeschirr. Sie schrie, Nabu ächzte, dann schoss sein Leib durch die Kronen der Baumriesen. Holz barst, Nabu stöhnte, Äste schlugen Mila ins Gesicht und gegen den Leib, und plötzlich hob sie ein mächtiger Schlag aus dem Sattel. Sie spürte, dass sie in hohem Bogen durch die Luft geschleudert wurde, durch dichtes Astwerk brach und hart
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