Drachenwege
feinstem Gebäck und Be-
chern voll heißem Klah.
Meister Zist bekam vor Verblüffung große Augen, als er Kindans Gefährtin erkannte. Kindan setzte eine betont unbekümmerte Miene auf, die der Harfner mit einem ernsten Kopfnicken quittierte. Doch der Blick, den er seinem Schüler zuwarf, sprach Bände. Kindan sollte sich hüten, allzu übermütig zu werden.
Kindan half Nuella auf das provisorische Podium, das aus einem großen, stabilen Tisch bestand, führte sie zu einem Stuhl und stellte seine Trommeln auf.
»Ich würde gern hören, wie du Flöte spielst, Nuella«, sagte Kindan.
Nuella begann mit einer einfachen, aber lebhaften Melodie. Meister Zist hob überrascht den Kopf, sah Nuella an und bedachte Kindan mit einem weiteren durchdringenden Blick. Als das Lied zu Ende war, flüsterte Kindan dem Mädchen zu: »Das war wunderschön.
Kennst du noch mehr Melodien?«
»Die Weise, die ich gerade gespielt habe, beherrsche ich am Besten«, räumte Nuella ein. »Aber Meister Zist hat mir noch vier weitere Lieder beigebracht.«
Kindan nickte. »Nun, dann zeig, was du kannst. Ich fange mit dem Trommeln an, und wenn ich müde bin, springst du mit deiner Flöte ein. Jedesmal, wenn ich drei Stücke getrommelt habe, bist du mit Spielen dran.
Glaubst du, dass du das schaffst?«
»Warum nicht?«, erwiderte Nuella. »Obwohl ich noch nie so lange gespielt habe.«
»Du wirst feststellen, dass du sehr lange musizieren kannst, wenn du zwischendurch nur genügend Pausen einlegst«, beteuerte Kindan. Nuella lächelte, und Kindan fiel auf, wie sehr sie ihrem Bruder ähnelte - nur dass sie viel hübscher war. Ihr Lächeln zog sich in die Breite, und ihre blauen Augen strahlten.
Kindan beugte sich zu ihr herunter und wisperte ihr ins Ohr: »Gelegentlich lasse ich dich auf dem Podium allein und mische mich unter die Gäste. Ich will hören, worüber gesprochen wird. Es gibt Dinge, über die sich die Leute nie mit einem richtigen Harfner unterhalten würden. Aber untereinander plaudern sie ganz unbe-fangen.«
Nuella nickte verstehend. »Schade, dass ich deine Rolle nicht übernehmen kann. Ich habe ein viel feineres Gehör als du.«
»Das weiß ich«, entgegnete Kindan. »Falls du ein paar Gesprächsfetzen aufschnappst, während ich trommle, kannst du mir später darüber berichten.«
»Wird gemacht.«
In der ersten Stunde lief alles wie am Schnürchen.
Jedes Mal, wenn Kindan zu Meister Zist hinüberblickte, winkte der Harmer ihm aufmunternd zu. Nuellas Flötenspiel nutzte Kindan aus, um das Podium zu verlassen und zwischen den Tischen umherzuschlendern.
Dabei hörte er allen möglichen Klatsch und Tratsch.
Zu seiner Genugtuung erfuhr er, dass jedermann Dara beglückwünschte, weil sie gleich vier Lehrlinge bei sich aufgenommen hatte. Dara hingegen blickte ziemlich unleidlich drein, denn mittlerweile hatte sie gemerkt, dass Tarik alles andere als erfreut war, vier fremde Kostgänger in seinem Haus zu beherbergen, die seine Privatsphäre stark einschränkten. Kindan verbiss sich ein Schmunzeln, wenn er daran dachte, wie raffiniert er Tarik überlistet hatte.
Nachdem Kindan sich von Milla einen großen Teller mit Gebäck und einen Krug voll gekühlten Wassers hatte aushändigen lassen, kletterte er wieder auf das Podium. Auf Millas neugierige Frage, wer denn das hübsche junge Mädchen sei, das so schön Flöte spielte, hatte er geantwortet: »Ich nehme an, dass sie zur Handelskarawane gehört.« Nachdem er angefangen hatte, einen langsamen, getragenen Rhythmus zu trommeln, spürte er, wie Nuella erstarrte. Er wandte ihr das Gesicht zu und sah, dass sie schnuppernd die Nase hob. Ein Schwall kalter Luft fegte in den überheizten Saal. Jemand hatte die Tür geöffnet, es war Natalon, der von seiner Schicht im Bergwerk zurückgekehrt war.
Nuella war hinter Kindan getreten und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Zuerst geht er in unsere Wohnung, um sich für das Fest umzuziehen«, flüsterte sie ihm ins Ohr. Und mit fröhlicher Stimme fügte sie hinzu: »Zenor ist auch hier!«
Soeben hatte Zenor den Saal betreten. Sein Gesicht war gerötet und glänzte, offenbar hatte er es gründlich mit Wasser und Seife geschrubbt. Bei ihm waren seine Mutter und seine Schwestern. Mit einer lässigen Handbewegung grüßte er Kindan, dann steuerte er auf die Tische mit den Speisen zu. Doch ehe er dort ankam, fuhr er mit einem Ruck herum und starrte verdutzt zum Podium hinüber.
»Er hat mich erkannt, nicht wahr?«, wisperte
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