Dracula, my love - das geheime Tagebuch der Mina Harker
sehen
, antwortete er.
Eine Woche lang warteten wir in Varna auf Nachricht, dass man die
Zarin Katharina
gesichtet hatte
.
Während dieser Zeit begann ich mich ungeheuer müde zu fühlen und schlief sehr viel, oft bis weit in den Nachmittag hinein.
Mein Appetit schwand, mir war häufig kalt, und ich bemerkte, dass ich ein wenig blasser als gewöhnlich aussah, was die rote
Narbe auf meiner Stirn nur noch deutlicher hervortreten ließ.
Auch den Männern waren diese Veränderungen an mir nicht entgangen, und sie machten sich insgeheim Sorgen, selbst wenn sie
mir gegenüber nicht offen darüber sprachen. Sie glaubten alle noch, dass ich in jener Nacht infiziert wurde, als ich Draculas
Blut trank. Ich redete mir ein, dass die Symptome lediglich auf die Anstrengungen meiner schlaflosen Nächte und die Strapazen
der vielen Reisetage zurückzuführen wären.
|430| Am 24. Oktober erreichte uns eine Depesche, die uns mitteilte, man hätte die
Zarin Katharina
bei der Durchfahrt durch die Dardanellen gesichtet – was bedeutete, dass sie innerhalb der nächsten 24 Stunden in Varna einlaufen
würde. Diese Nachricht versetzte die Männer sofort in eine fieberhafte, beinahe glückliche Erregung. Zur großen Enttäuschung
aller lief jedoch die
Zarin Katharina
weder am nächsten noch am übernächsten Tage in Varna ein. Vier Tage voller Anspannung vergingen, ohne dass wir ein Sterbenswörtchen
von dem Schiff hörten oder irgendeinen Grund für die Verzögerung erfuhren. Die Männer befanden sich alle in einem förmlichen
Fieber der Erregung, außer Jonathan, den ich jeden Morgen ruhig allein in unserem Hotelzimmer sitzend vorfand, wie er die
Klinge des großen Gurkha-Messers wetzte, das er nun immer bei sich trug. Der Anblick der scharfen Schneide dieses Khukhuri
ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Denn ich konnte nicht umhin, mir den Schrecken vorzustellen, sollte jene Klinge
jemals Nicolaes Kehle berühren, von Jonathans entschlossener und eiskalter Hand geführt.
Jonathan hielt sein Versprechen, mich stets ins Vertrauen zu ziehen. Schon bald hatte er auch die anderen davon überzeugt,
es ihm gleichzutun. Ich erlaubte Dr. van Helsing weiterhin, mich zweimal täglich zu »hypnotisieren«, und wiederholte bei jeder
Gelegenheit die gleiche Botschaft. Als ich eines Tages bei Sonnenaufgang wieder in meiner vorgetäuschten Trance lag, nahm
er eine Untersuchung vor, die mich zutiefst beunruhigte: Er öffnete meinen Mund, um meine Zähne zu inspizieren.
»Bisher keine Veränderung«, konstatierte er.
»Welche Veränderungen erwarten Sie denn?«, fragte Herr Morris.
»Erinnern Sie sich daran, dass Fräulein Lucys Eckzähne in den letzten Tagen vor ihrem Tode länger und spitzer wurden?«, erwiderte
Dr. van Helsing. Die anderen nickten mit ruhigem Ernst. »Es gilt auch nach anderen Dingen Ausschau |431| zu halten. Sehen Sie denn nicht? Frau Mina beginnt bereits ihren Appetit zu verlieren. Sollte sie anfangen, nach Blut zu dürsten
…«
»Was dann?«, erkundigte sich Lord Godalming mit beunruhigter Stimme.
»Dann wird es nötig sein, … Schritte einzuleiten«, erwiderte der Professor voller Bedauern
»Was für Schritte?«, rief Jonathan entsetzt.
Stille senkte sich herab. Dr. Seward antwortete leise: »Eu thanasie ist ein vorzügliches und beruhigendes Wort.«
»Sind Sie von Sinnen?«, schrie Jonathan. »Sie würden meine Mina vor der Zeit aus dem Leben befördern? Das kommt überhaupt
nicht in Frage!«
»Sie verstehen nicht, lieber Freund Jonathan, denn Sie waren nicht dabei«, sagte Dr. van Helsing. »Wir anderen aber haben
alle das Grausen von Fräulein Lucys Auferstehung mit angesehen.«
»Sie war keine Frau aus Fleisch und Blut mehr«, wandte Herr Morris in dringlichem Ton ein, »sondern ein Geschöpf von liederlicher
Wollust und grausigem Schrecken. Glauben Sie mir, Harker, auch Ihnen würde es lieber sein, dass Ihre Frau tot ist, als dass
sie in einer solch grauenhaften Gestalt durch die Felder streift.«
Mein Herz pochte voller Angst. Großer Gott! Wenn diese Männer davon überzeugt sein würden, dass ich angefangen hatte, mich
unwiderruflich in einen Vampir zu verwandeln, dann hegten sie ernsthaft die Absicht, mich umzubringen! Ich versuchte lieber
nicht darüber nachzudenken, dass dieser Fall eintreten könnte, dass vielleicht Nicolae wirklich einmal zu oft von meinem Blut
getrunken hatte und dass …
Beruhige dich
, verkündete da seine Stimme in meinem
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