Dracula, my love
dem offensichtlich immensen Wissen und der ungeheuren Erfahrung eines Dr. van Helsing verblüffen konnte?
Als ich nach geraumer Zeit erwartungsvoll wieder in den Salon trat, ging van Helsing dort rasch auf und ab. Sein Gesicht war hochrot vor Erregung.
„O Frau Mina“, sagte er, kam auf mich zu geeilt und ergriff meine beiden Hände. „Wie kann ich Ihnen sagen, was ich Ihnen zu danken habe? Diese Schrift ist wie heller Sonnenschein für mich. Sie haben diese täglichen Geschehnisse in so hervorragender Einzelheit aufgezeichnet, mit so viel Gefühl, und jede Zeile atmet Wahrheit. Es ist alles, was ich mir nur hätte erhoffen können!“
„Meine Notizen werden also hilfreich für Sie sein?“
„Unendlich hilfreich! Schon jetzt haben sie viele Fragen beantwortet. Sie öffnen mir ein Tor. Ich bin betäubt und geblendet von so viel Licht, und doch rollen hinter dem Licht immer wieder Wolken heran. Es gibt noch so viel mehr zu erfahren und zu lernen.“
Ich musste unwillkürlich lächeln, weil er seine Worte so seltsam wählte. Nie zuvor hatte ich jemanden so reden hören. „Möchten Sie mich noch Weiteres über jene Wochen in Whitby fragen, Herr Doktor?“
„Gegenwärtig nicht. Das Tagebuch spricht für sich.“ Dann fügte er sehr feierlich hinzu: „Ich bin Ihnen dankbar, Frau Mina. Wenn je Abraham van Helsing etwas für Sie oder die Ihrigen tun kann, dann erwarte ich, dass Sie es mir mitteilen. Es wird mir eine Freude und ein Vergnügen sein, wenn ich Ihnen als Freund zur Seite stehen kann. Doch nun erzählen Sie mir von Ihrem Gatten. Ist er ganz gesund? Ist das Fieber, von dem Sie in Ihren Briefen schrieben, vollkommen verschwunden?“
Ich seufzte. „Ich denke, er war ziemlich wiederhergestellt, aber der Tod des Herrn Hawkins hat ihn erneut aus der Bahn geworfen.“
„O ja, ich weiß. Es tut mir so leid.“
„Und dann, als wir letzte Woche in London waren, erlitt er eine Art Anfall, der alles wieder schlimmer machte.“
„Was, einen Anfall? So bald nach einem Nervenfieber! Das ist kein gutes Zeichen. Wie war denn der Anfall?“
„Er glaubte, jemanden wiederzuerkennen, was eine schreckliche Erinnerung in ihm wachrief, die irgendwie mit der Ursache seines Nervenfiebers in Zusammenhang stehen muss.“
Dr. van Helsings Augen weiteten sich, und er erwiderte erregt: „Dies alles ist in London geschehen? Wen hat er dort gesehen? Woran hat er sich erinnert?“
Erneut schossen mir Tränen in die Augen. Die entsetzlichen Schrecken, die Jonathan in Transsilvanien durchlitten hatte, das ganze furchtbare Geheimnis seines Tagebuchs und die Sorge, die brütend auf mir gelastet hatte, seit ich es gelesen hatte, alles kam in einem plötzlichen Sturm der Gefühle über mich. „O Dr. van Helsing, ich fürchte mich beinahe, es Ihnen zu erzählen. Wenn Sie wüssten, was mein armer Jonathan zu erleiden hatte! Aber Sie haben vorhin erklärt, dass Sie das menschliche Gehirn studiert haben. Ich flehe Sie an: Wenn ich Ihnen auf irgendeine Weise zu Diensten sein konnte, würden Sie es über sich bringen, meinem Ehemann zu helfen und ihn wieder gesund zu machen?“
Dr. van Helsing hielt meine Hände in den seinen und versicherte mir mit großer Güte in der Stimme, er sei der Überzeugung, dass Jonathans Leiden im Bereich seiner Studien und Erfahrungen läge. Er versprach, alles zu tun, was er konnte, um meinem Mann zu helfen. „Aber Sie sehen zu bleich und aufgeregt aus, um jetzt fortzufahren. Wir reden nicht mehr über diese Angelegenheit, bis wir gegessen haben. Danach können Sie mir alles berichten.“
Beim Lunch lenkte Dr. van Helsing das Gespräch bewusst auf andere Themen, und mit der Zeit fasste ich mich wieder. Er sprach nicht viel über sich selbst, erzählte nur, dass er in Amsterdam allein lebte und viel reiste. Er schien ein sehr einsames und so arbeitsames Leben zu führen, dass ihm wenig Zeit für Freundschaften blieb.
Später, als wir in den Salon zurückgekehrt waren, sagte Dr. van Helsing freundlich zu mir: „Nun erzählen Sie mir alles über Ihren Jonathan.“
„Herr Doktor“, antwortete ich nach einigem Zögern, „das, was ich Ihnen zu sagen habe, ist so seltsam, dass ich Sie bitten muss, nicht über mich oder meinen Gatten zu lachen. Sie könnten mich für eine furchtsame Törin und meinen Mann für einen Narren halten. Seit gestern bin ich in einem geradezu fieberhaften Zustand des Zweifels und könnte einige seltsame Dinge beinahe für wahr halten.“
„O meine Liebe, wenn Sie eine
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