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Dracula - Stoker, B: Dracula

Dracula - Stoker, B: Dracula

Titel: Dracula - Stoker, B: Dracula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bram Stoker
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trat ich allein in den Raum des Kranken und teilte ihm mit, dass eine Dame seine Bekanntschaft zu machen wünsche, worauf er nur antwortete: »Warum?«
    »Sie macht einen Rundgang durchs Haus und möchte alle kennenlernen«, antwortete ich. »Oh, sehr gut«, antwortete er, »sie soll nur kommen. Doch halt, bitte warten Sie noch eine Minute, bis ich hier etwas Ordnung gemacht habe!« Seine Methode, Ordnung zu schaffen, war recht merkwürdig: Er aß nämlich sämtliche Fliegen und Spinnen, die er in seinen Schachteln aufbewahrt |338| hatte, auf, noch bevor ich ihn daran hindern konnte. Es war offenkundig, dass er irgendeine Beeinflussung fürchtete. Nachdem er sein unappetitliches Werk vollbracht hatte, sagte er höflich: »Nun lassen Sie die Dame bitte eintreten!«, und setzte sich mit gesenktem Kopf auf den Rand seines Bettes. Dabei aber schielte er von unten herauf zur Tür, um die Eintretende zu sehen. Einen Augenblick durchzuckte mich der Gedanke, er könnte einen Mordanschlag im Schilde führen, denn ich erinnerte mich nur zu gut, wie ruhig er damals gewesen war, bevor er den Überfall auf mich in meinem Arbeitszimmer unternommen hatte. Ich wählte mir also selbst einen günstigen Platz, um ihn sofort packen zu können, falls er Miene machen sollte, sich auf Mrs. Harker zu stürzen. Sie trat mit einer liebenswürdigen Sorglosigkeit ins Zimmer, die ihr bei dem Patienten sofort Respekt verschaffte, denn Unbefangenheit ist eine der Eigenschaften, die dem Wahnsinnigen imponieren. Mrs. Harker ging freundlich lächelnd auf ihn zu und reichte ihm die Hand hin.
    »Guten Abend, Mr. Renfield«, sagte sie. »Sie sehen, ich kenne Sie schon, denn Dr. Seward hat mir von Ihnen erzählt.« Renfield antwortete nicht sogleich, sondern blickte sie erst einmal finster von oben bis unten an. Sein Blick nahm jedoch bald einen fragenden Ausdruck an, der wiederum von deutlich erkennbarem Zweifel abgelöst wurde, während er zu meiner höchsten Überraschung sagte:
    »Sind Sie etwa das Mädchen, das der Doktor gern geheiratet hätte? Das können Sie nicht sein, wissen Sie, denn die ist tot.« Mrs. Harker erwiderte freundlich lächelnd:
    »Oh nein! Ich habe geheiratet, noch bevor ich Dr. Seward kennenlernte oder er mich. Ich bin Mrs. Harker.«
    »Was wollen Sie dann hier?«
    »Mein Mann und ich sind bei Dr. Seward zu Besuch.«
    »Dann bleiben Sie besser nicht zu lange.«
    »Warum denn nicht?«
    Ich dachte mir, dass diese Unterhaltung Mrs. Harker noch unangenehmer |339| sein musste als mir, und mischte mich daher ins Gespräch ein:
    »Wie kommen Sie denn darauf, dass ich heiraten wollte?« Seine Antwort war sehr verächtlich; er wandte seinen Blick dazu nur ganz kurz von Mrs. Harker auf mich, um gleich darauf wieder sie anzustarren:
    »Was für eine idiotische Frage!«
    »Das sehe ich aber gar nicht so, Mr. Renfield«, sagte Mrs. Harker, sich mit mir verbündend. Er antwortete ihr mit ebenso viel Höflichkeit und Respekt, wie er mir Missachtung gezeigt hatte:
    »Sie werden natürlich einsehen, Mrs. Harker, dass, wenn ein Mann so beliebt und verehrt ist wie unser Gastgeber, alles, was ihn betrifft, für unsere kleine Gemeinschaft von Interesse ist. Denn Dr. Seward ist nicht nur in seinem Heim und bei seinen Freunden beliebt, sondern auch bei seinen Patienten, obwohl diese manchmal aus Mangel an geistigem Gleichgewicht Ursache und Wirkung zu verwechseln pflegen. Da ich nun aber selbst Insasse dieser Irrenanstalt bin, konnte ich nicht umhin zu bemerken, dass einige Hausbewohner in ihren Schlüssen dazu neigen, die Fehler
non causae ut causae 1
und
ignoratio elenchi 2
zu begehen.« Ich riss über diesen Richtungswechsel des Gespräches die Augen auf: Hier saß mein eigener Lieblingsirrer, der mit Abstand seltsamste Fall, der mir bislang begegnet war, und machte mit den Manieren eines vollkommenen Gentlemans Konversation in elementarer Philosophie. Ich frage mich, ob dies Mrs. Harker zu verdanken war, vielleicht hatte sie ja irgendeine Saite in seiner Erinnerung zum Klingen gebracht. Wenn dieser neue Zug durch ihren unbewussten Einfluss spontan aus meinem Patienten hervorgebrochen war, so musste sie über irgendeine seltene Gabe oder Kraft verfügen.
    Wir plauderten noch einige Zeit miteinander. Nachdem sie erkannt |340| hatte, dass Renfield sich ganz vernünftig verhielt, wagte es Mrs. Harker sogar, mit einem fragenden Seitenblick auf mich, sein Lieblingsthema anzusprechen. Ich war wieder äußerst erstaunt, denn er beteiligte sich am

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