Draculas Brüder -ebup-
bevor er sie über den Flaschenhals senkte, um daran zu schnüffeln. Sein Verdacht hatte sich bestätigt. Es war Blut.
Synthetisches Blut, aber so gut konstruiert, daß es für echt gehalten werden konnte – bis hin zu jenem typischen süßlichen Geschmack, den jeder kennt, der sich einmal in den Finger geschnitten hat. Für Hank Navarre, der nun seinen Zeigefinger vorsichtig in den Flaschenhals und dann in seinen Mund steckte, gab es keinen Zweifel mehr. Es war Blut, echtes Blut. Eine Zweiliterflasche mit Blut.
Nein. Zehn -elf Zweiliterflaschen von dem Zeug!
Wofür wurde es gebraucht?
Navarre wandte sich um und spähte hierhin und dorthin, die Flasche in der Linken, die Taschenlampe, in der Rechten. Irgendwo in diesem Keller mußte es Anhaltspunkte für die Verwendung solcher Blutmengen geben. Als er sich langsam weiterdrehte und mit seinem Blick dem Lichtkreis über Regale und Apparaturen zu einer Destillationsanlage folgte, trat er unwillkürlich zurück und stieß mit der Wade gegen eine niedrige Kante. Er geriet ins Straucheln, verlor momentan das Gleichgewicht und griff instinktiv um sich, wobei die schwere Flasche seinen Fingern entglitt. Als sie auf dem Boden aus gebrannten Ziegeln zerplatzte, setzte er sich unsanft in die offene Kiste, die Hände nun hinter sich, um seinen Fall zu bremsen.
Auf das, was sie berührten, war er nicht vorbereitet.
Erde! Feuchte Erde. Seltsam.
Navarre stemmte sich hoch, kam auf die Füße und umging die Blutlache mit den Scherben darin, um seine Taschenlampe aufzuheben. Zum Glück brannte sie noch. Als sie in seiner Hand war, richtete er den Lichtkegel auf die Kiste ...
Die, wie er nun sah, keine gewöhnliche Kiste war,
sondern ein Sarg. Ein mit schwarzem Samt ausgeschlagener, etwa zu einem Viertel mit Erde gefüllter Sarg.
Während die Schlußfolgerungen aus dieser Entdeckung auf ihn einstürmten, so daß sein Verstand Mühe hatte, ihnen zu folgen, fühlte er sich von kalten Schauern überlaufen. Ein Sarg. Gepolstert mit Erde. Blut in Zweiliterflaschen. Vampire. Nein, es konnte nicht sein. Solche Dinge gab es nicht.
Aber da war der Sarg, und der Deckel lag daneben. Navarre trat näher, ging langsam um seinen Fund herum und beugte sich über das Kopfende, nahm etwas Erde zwischen die Finger.
Plötzlich zuckten die Lichter über ihm, flammten auf. Navarre richtete sich blinzelnd auf, hob die Linke mit der Taschenlampe über seine Augen, um besser sehen zu können. Das hatte noch gefehlt!
»Sie sind ein einfältiger Mensch, Navarre«, sagte Harmons Stimme.
Der Blick des Kommissars folgte ihrer Richtung und sah den Sprecher. Der alte Mann im Rollstuhl saß im Aufzug, eingerahmt von den offenen Türhälften, das trübe Licht der Aufzugbeleuchtung auf dem Scheitel seines weißhaarigen Kopfes und den hochgezogenen, klobig aussehenden Schultern. Sein Gesicht lag im Halbschatten, aber die Augen blitzten.
»Sehr einfältig. Sie haben sich in etwas eingemischt, das jenseits Ihres Begreifens liegt. Ich hoffe, daß der Preis, den Sie dafür zahlen müssen, nicht zu hoch ist.«
Der Detektiv kam um den Sarg herum und richtete seinen Finger anklagend auf Harmon.
»Sie, Professor – Sie sind derjenige, der hier zahlt! Wir werden Ihnen und Ihrem Gehilfen Sanchez das Vampirhandwerk legen – mit oder gegen den Willen Ihres famosen Mr. Proctor! He! Was tun Sie da?«
Die Aufzugtüren schlössen sich wieder. Bevor Navarre sie oder seine Pistole erreichen konnte, verriet
ihm ein leises Summen, daß der Aufzug in Betrieb war.
Er sprang zum Tisch, griff seine Pistole und rannte zur Treppe. Noch fünf oder sechs Stufen trennten ihn von der Kellertür, als er sah, daß seine Handschellen verschwunden waren. Die Tür war geschlossen.
Der verdammte Kerl hatte ihn eingesperrt!
Er sicherte die Pistole und schlug mit dem Kolben gegen das dicke Holz der Tür.
»Harmon! Machen Sie die Tür auf – haben Sie gehört?«
Navarre überlegte, ob er das Magazin leerschießen und auf diesem Weg die Tür aufbringen solle, aber das schwere Schloß und die ungewöhnlich dicken Eichenplanken der Tür ließen ihn an der Wahrscheinlichkeit des Erfolgs zweifeln. Und es war nicht auszuschließen, daß er die Kugeln noch brauchen würde.
An diesem Punkt seiner Überlegungen angelangt, hörte er ein lautes Krachen und Splittern von berstendem Glas. Nicht wie von der Flasche, die er unten zerschlagen hatte, sondern ungleich lauter und heftiger.
Es war, als hätte die Druckwelle einer Explosion mit
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