Draculas Brüder -ebup-
die Tiere wie in Raserei zu, zerrissen seine Ärmel und verbissen sich in seine Finger, daß er glaubte, sie rissen ihm das Fleisch von den Knochen. Er konnte kaum noch den Revolver halten.
Der Revolver. Sanchez hatte ihm erzählt, wie er sich im Kampf mit den Bestien eine momentane Atempause verschafft hatte ...
Er hob den Lauf, bis er zur Decke gerichtet war, und drückte ab. Die Detonation, so nahe bei seinen Ohren, krachte wie ein Kanonenschuß, und er hatte das Gefühl, sein Kopf müsse zerspringen. Aber andere Geräusche kamen durch – die quiekenden Schreie seiner Angreifer und das heftige Flügelschlagen eines vorübergehenden Rückzugs. Und von unten kamen dumpfe Schläge gegen dickes Holz, gefolgt von Navarres Stimme:
»Harmon – was zum Teufel geht dort vor?«
Harmon wünschte, er wäre jetzt mit Navarre im Keller, als er ein weiteres Mal feuerte, sich hastig umsah und seine Hände auf die Radreifen fallen ließ. Ein kurzer Stoß brachte ihn dem Aufzug einen Meter näher, dann mußte er die Hände erneut hochreißen, um zwei mörderisch herabstoßende Angreifer abzuwehren. Dabei löste sich noch ein Schuß, der nichts traf, aber die beiden kurz vor dem Anprall zum Abschwenken veranlaßte. Er hatte nur noch eine Kugel – und das war nicht genug, um ihm den Weg in den Aufzug freizukämpfen.
Er würde es nicht schaffen.
»Harmon – hören Sie mich?« brüllte Navarre hinter der Kellertür.
Noch eine Kugel im Lauf. Das war natürlich ein
Ausweg. Aber Harmon wußte, daß er sich diese Kugel nicht durch den Kopf schießen würde. Er brachte es nicht über sich. Wäre er dazu fähig, hätte er diesen Schritt viel früher in seinem Leben getan.
Als sie sich von neuem auf ihn stürzten, feuerte er seine letzte Kugel ab, beugte sich auf seinem Stuhl vorwärts und vergrub sein Gesicht in den verschränkten Armen. So würden auch seine Hände ein wenig Schutz haben. Die Atempause, die sein Schuß ihm verschaffte, währte nur wenige Sekunden. Dann hingen sie wie eine Traube überall an ihm, und das Hacken, Beißen und Stechen begann erneut.
Er saß bewegungslos, weit vornübergebeugt, hörte die Angriffsschreie und das Geflatter der ledrigen Flügel und fühlte die winzigen Schnitte und Bisse in seinem Fleisch, bis es keinen Quadratzentimeter an seinem Körper zu geben schien, der nicht verwundet war. Es war, als wäre er über und über mit fleischfressenden Ameisen bedeckt, die alles lebende Gewebe in ihrer Bahn vertilgten.
Der Augenblick kam, wo er es nicht länger ertragen konnte, ohne den Verstand zu verlieren. Mit einem verzweifelten Aufbrüllen riß er seinen rechten Arm aus der Schutzhaltung, packte einen der in seinen Kopf verbissenen Peiniger beim lederigen Flügel und zerrte ihn im Bogen abwärts, bis er den Körper gegen die Radspeichen schlagen hörte. Dann ließ er den Flügel los und versuchte seinen Arm zu heben, an dem nun vier oder fünf beißende Ungeheuer zu hängen schienen. Wo er sich neue Blößen gegeben hatte, stießen die Wesen sofort nach, zerfetzten seine Kleider und verbissen sich in sein Fleisch. Harmon brüllte in verzweifelter Agonie, schrie und fluchte, nun völlig entnervt, um schließlich schlaff vornüberzusinken, das Gesicht im linken Arm auf den Knien, den rechten Arm hängen lassend, von trockenem Schluchzen geschüttelt. Es war zuviel. Zuviel.
Er wußte nicht, wie lange die Qual der allmählichen Zerfleischung dauerte. Schon bei Beginn des Angriffs hatte er den Miniatursender in seiner
Rocktasche eingeschaltet, aber seine Verbindung mit Sanchez war lange vorher unterbrochen worden, und wenn der Graf seine Schüsse, Flüche und Schreie gehört hatte, war damit noch nicht gesagt, daß er ihm zu Hilfe eilen würde.
Irgendwann, als er nahe daran war, vor Schmerzen ohnmächtig zu werden und diesen barmherzigen Zustand herbeisehnte, obwohl er wußte, daß es kein Erwachen geben würde, fühlte er das Gewicht der Tierkörper von ihm weichen und hörte das laute Klatschen aufflatternder Flügel. Er hob den Kopf ein wenig und blickte sich um. Er hatte seine Augen schnell wieder schließen wollen, aber er vergaß es. Denn er konnte nicht glauben, was er sah.
Sie schwebten ringsum in der Luft, auf der Stelle flatternd, und keiner der Angreifer war näher als eineinhalb Meter. Alle waren ihm zugewandt, als hielten sie sich für einen letzten Ansturm bereit, der ihm den Rest geben sollte. Und es schien, daß sie alle auf irgendein Signal ihres Anführers warteten, einer
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