Draculas Fluch
Der Hüne hatte eine Stimme, die tiefer war als das Echo der Unendlichkeit. »Ka-Zadok hört dich.«
»Und Ka-Zadok wird gehört«, kam es aus der Kristallkugel. »Ka-Zadok wird von denen gehört, die ihm die Freiheit gebracht haben. Komme zu uns.«
»Zu euch?« fragte der Hüne, ohne sich von der Stelle zu rühren.
»Komm näher, Ka-Zadok. Zur Kugel.«
Es war ein Befehl. Einen Moment lang schien es, als wolle der Hüne den Gehorsam verweigern, doch dann war er plötzlich mit vier großen Schritten an der Stelle, an der die Kugel lag.
»Wer seid ihr?« fragte er. »Woher wißt ihr meinen Namen? Warum ...«
»Du hast wohl ein Recht, Ka-Zadok, auf deine Fragen eine Antwort zu bekommen, aber laß uns vorerst einmal sagen, daß du und wir Verbündete sind. Der Haß, den du fühlst, richtet sich gegen den gleichen, den wir hassen. Sieh her – schau in die Kugel.«
Der Hüne kniete sich auf den Boden.
»Wir haben dich nicht ohne Grund befreit, Ka-Zadok. Schau in die Kugel. Sieh das Gesicht, das du nur zu gut kennst.«
Der Zauberer sah in die Kugel. Das Leuchten verschwand. An seiner Stelle ein Gesicht, ein weißes, tödlich weißes Gesicht mit roten Augen und pechschwarzem Haar, das wie eine Teufelskappe wirkte.
»Er ist es!« schrie Ka-Zadok. »Der Sohn des Drachens!«
»Der Verhaßte«, sagte die hohle Stimme. Das Gesicht verschwand, die gleißend weiße Flamme leuchtete wieder auf. »Derjenige, der dich eingekerkert hat. Derjenige, der dich besiegt hat. Derjenige ...«
»Besiegt?« brüllte Ka-Zodak. »Es ist ja gar nicht dazu gekommen. Ich habe ihm meine Herausforderung geschickt, aber er hat nicht einmal darauf geantwortet. Er hat...«
»Das tut jetzt nichts zur Sache. Sein Gold ...«
»Ich weiß von seinem Gold«, sagte der Hüne und richtete sich wieder auf. »Ich weiß, wo es ist – wo er es versteckt hatte.«
»Du kennst nur einen Ort, Zauberer. Ja, die Zeit ist nicht stehengeblieben, aber das Gold ist immer noch dort, wo es war. Es ist für den, dessen Namen du haßt, nicht zugänglich. Er hat das Gold auf mehrere Verstecke verteilt, und du mußt sie ausfindig machen, denn unsere Fähigkeiten reichen dazu nicht aus. Du wirst uns also in dieser Hinsicht dienlich sein. Die Lage der verschiedenen Orte wirst du aus dem Geist dessen erfahren, den du den Sohn des Drachens nennst.«
»Zerstören werde ich ihn«, rief Ka-Zadok, und in seiner Stimme schwang tödlicher Haß.
»Erst, wenn du deinen Auftrag erfüllt hast. Erst wenn du in Erfahrung gebracht hast, wo das Gold gelagert ist. Gelingt es dir nicht, wirst du in Ewigkeit leiden.«
Das Lachen des Hünen brachte die riesigen Eiszapfen, die von der Decke der Höhle hingen, zum Erzittern.
»Ich werde in Ewigkeit leiden? Das habe ich bereits getan. War ich nicht hier in dieser Eishölle? Und das seit einer Ewigkeit? Ich lasse mir nicht drohen. Ganz gleich, wer ihr seid – ich lasse mir nicht drohen!«
»Ganz gleich, wer wir sind? Wir sind deine Mächte, Ka-Zadok. Mächte, die bedeutend sind und denen Respekt geziemt. Du hast ein Recht, uns zu sehen. Schau in die Kugel des Lichts und finde die Wahrheit.«
Wieder kniete sich der Hüne auf den Boden.
Der Feuerball schien zu schrumpfen. Die Farbe änderte sich von weiß nach gelb, dann nach orange und rot. Ein Flackern und anschließend nur noch Rauch.
Schließlich verschwand auch der Rauch, und Gesichter tauchten auf.
Und dann kamen die Schreie.
Ka-Zadok brauchte fast eine Minute, bis er begriffen hatte, daß es seine eigenen Schreie waren.
4.
Die Tür zum Goldenen Tempel war nicht verschlossen. Warum auch? Er lag so hoch oben in den Bergen, daß es nicht nötig war. Als sie jedoch plötzlich nach innen gestoßen wurde, drehten sich der Priester und die beiden Mönche erstaunt um. Die Mönche sprangen auf, der uralte Mann jedoch blieb mit gekreuzten Beinen hocken.
Als die Tür wieder zuschlug, sahen sie den Hünen im Schein der Kerzen.
»Ich bin wegen des Goldes gekommen«, sagte er mit seiner tiefen Stimme.
Die beiden Mönche schauderten zusammen. Sie drehten sich zu Qua Siem um, dessen Gesicht völlig ausdruckslos war.
»Du bist nicht er«, sagte der alte Priester. »Du bist nicht derjenige, dem das Gold gehört.«
Der Hüne stemmte die Arme in die Seiten und lachte. »Ich bin an seiner Stelle gekommen.«
Qua Siem lächelte. »Wenn du damit sagen willst, daß er dich geschickt hat, muß ich an deinen Worten zweifeln. Er hat dich nicht geschickt. Ich hätte sonst nämlich einen Wink von
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