Dragon Sin: Roman (German Edition)
das keine Frage ist.« Denn die klein gewachsene Keita hatte sich sogar dem Zorn ihrer schrecklichen Cousine Elestren ausgesetzt, die alles andere als klein gewachsen war. Elestren hatte Keita als Verräterin angesehen und sie ohne Befehl in die Salzminen an der Grenze zu den Wüstenländern geschickt. Und all das nur, weil Keita die Drachenkriegerin bloßgestellt hatte, indem sie ihr in einem fairen Übungskampf ein Auge ausgeschlagen hatte. Das mochte natürlich unangenehm sein, aber Rhonas eigene Mutter hatte während eines Kampfes mit ihrer Schwester Ghleanna sogar ihre Schwanzspitze eingebüßt. Es hatte sie zunächst beim Fliegen behindert, aber über die Jahrhunderte hatte sie gelernt, damit umzugehen. Und sie hatte sich bei ihrer Schwester nicht einmal beschwert!
Doch Keita hatte Tapferkeit gegenüber Elestren bewiesen und damit das bestätigt, was Rhona schon immer über ihre Cousine gedacht hatte: dass Keita kein bisschen so war, wie sie wirkte.
Er deutete auf ihr Essen. »Guten Appetit!«
»Vielen Dank.«
Der Blitzdrache stieß ein Grunzen aus und fragte dann: »Bist du mit Keitas Plan einverstanden?«
Rhona kaute auf dem Trockenfleisch herum und antwortete: »Es ist, wie es ist.«
»Du akzeptierst ihn also?«
Sie zuckte die Achseln und biss ein Stück Brot ab. »Warum sollte ich nicht?«
»Du hast keine einzige Frage gestellt. Du hast nicht versucht, weitere Antworten aus Keita herauszubekommen. Was ist, wenn alles doch ganz anders ist, als es scheint? Was ist, wenn alles noch viel schlimmer ist?«
»Dann werde ich mich anpassen. So macht das ein guter Soldat. Ich befolge meine Befehle. Ich passe mich an. Und genau das werde ich auch jetzt tun.«
Vigholf verstand diese Frau nicht. Sie stellte niemals Fragen, war nie ungehorsam und tat nie etwas anderes, als die Befehle auszuführen, die sie erhalten hatte. Doch sie war keineswegs träge, dumm oder unfähig. Obwohl sie eine Frau war, kämpfte sie außerordentlich gut und hatte ihren Rang als Sergeantin verdient. Aber Vigholf fand, dass mehr in ihr steckte. Da war er derselben Meinung wie ihre Geschwister, die er – am Rande bemerkt – nicht einmal für halb so fähig erachtete wie sie.
Woran lag es also? Warum war sie damit zufrieden, eine bloße Befehlsempfängerin zu sein?
»Bist du eigentlich gern Soldatin?«, fragte er. »Es klingt nämlich gar nicht so.«
Sie sah ihn mit großen Augen an, und er erkannte, dass er sie mit seiner Frage überrascht hatte. Hatte denn noch niemand sie gefragt, ob sie eine Soldatin werden wollte ? Andererseits … da er Rhonas Mutter kannte, bezweifelte er, dass irgendjemand Rhona irgendetwas gefragt hatte. Vermutlich nahm Rhona alles als gegeben hin.
»Ganz gern, ja«, antwortete sie zögernd.
»Liebst du deine Tätigkeit?«
Nun ließ sie sich noch mehr Zeit mit der Antwort, kaute währenddessen langsam auf ihrem Essen herum und betrachtete nachdenklich das Land.
»Ich bin gut darin«, erwiderte sie endlich und sah ihn mit ihren dunkelbraunen Augen eingehend an. »Ich bin die beste Soldatin, der du je begegnen wirst. Ich bin die treueste, die hingebungsvollste und die geschickteste. Aber mehr als das bin ich nicht. Ich bin nicht mehr als die beste Soldatin, die dir je untergekommen ist.«
»So wie du es sagst, klingt es nach etwas Schlechtem.« Für eine Truppe, die ausschließlich aus Soldaten oder Soldatinnen wie Rhona bestand, würde er sogar töten.
»In meiner Sippe ist das eine enttäuschende Aussage. Wenn ich so darüber rede, dann nicht aus Hass auf das, was ich mache. Ich habe einfach resigniert.«
Sie gab ihm die Hälfte des Fleisches und des Brotes zurück. »Du brauchst Kraft, Kommandant. In anderthalb Tagen werden wir in den Dunklen Ebenen sein«, fügte sie hinzu und kletterte von ihrem Hochsitz herunter. »Ich spüre, dass wir deine Nordländerstärke brauchen werden.«
Dann war sie fort, und Vigholf verbrachte seine Wache damit, an ihre braunen Augen und an die Resignation zu denken, die er darin gesehen hatte.
7 Während des nächsten Reisetages mussten sie wegen Ren mehrere Pausen einlegen. Welche Magie der Ostländer auch immer wirken mochte, sie war sehr stark, und Rhona machte sich allmählich Sorgen um ihn.
Als Keita einige Schritte entfernt ein Nickerchen an einem Baumstamm machte, hocke sich Rhona neben Ren. Sie hatten wieder menschliche Gestalt angenommen und Kleidung übergezogen für den Fall, dass richtige Menschen zufällig auf sie stoßen sollten. Der Weg, den sie
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