Dragon Sin: Roman (German Edition)
auf und geriet ins Taumeln.
»Bist du sicher, dass du keine Hilfe brauchst, schwache Frau?«
»Danke, es geht. Ich hätte bloß im Dorf nichts von dem Wein trinken sollen. Aber ich brauchte etwas, um das Geschrei in meinem Kopf über unseren Auftrag zum Verstummen zu bringen.«
Gute Götter, sie war wirklich hinreißend, wie sie seinen Hammer umherschwang. Auch wenn ihr das Gewicht nicht zusagte, stellte sie sich doch sehr gut an.
»Ein Hammer ist eine richtige Waffe«, sagte er zu ihr. »Eine Waffe für Erwachsene.«
»Lass meinen Speer aus dem Spiel. Er hat mir sehr gute Dienste geleistet, bis du ihn zerstört hast.«
»Das war ein Unfall!«
»Natürlich.«
»Ich höre da einen gewissen Sarkasmus heraus«, beschwerte er sich, als sie sich über ihn stellte und den Hammer auf seinen Bauch fallen ließ. »Autsch! Du bösartiges Weib!«
Rhona lachte und setzte sich neben ihn. »Ich bin nicht annähernd so müde, wie ich es eigentlich sein sollte.«
»Gut. Dann kannst du mir vielleicht Annwyl erklären.« Vigholf fand es hinreißend, wie groß Rhonas Augen nun wurden.
»Warum fragst du mich nicht, ob ich dir das Wasser erklären kann? Oder die Luft?«, meinte sie.
»Ich verstehe nicht.«
»Du bittest mich, dir das Unerklärbare zu erklären. Annwyl ist für alle ein Rätsel. Sie ist die Bastardtochter eines Monster-Tyrannen und sollte eigentlich noch in dem kleinen Dorf leben, aus dem ihr Vater sie herausgezerrt hat. Welcher Monarch will schon seine Tochter in seiner Nähe haben, wenn er bereits einen Sohn als Erben hat? Sie ist außerdem die Schwester eines noch schlimmeren Tyrannen, der sie an einen anderen Tyrannen verkauft hat, damit die beiden ihre Königreiche vereinigen konnten. Sie sollte diesen zweiten Tyrannen heiraten und ein paar Nachkommen hervorbringen, um alle glücklich zu machen. Aber es kam nie zu dieser Hochzeit, und am Ende vernichtete sie den Bruder, der so viele andere gefoltert hatte.«
»Und was sagt uns das alles?«
»Das sagt uns, dass sie eine verblüffende und gleichzeitig erschreckende Persönlichkeit ist. Annwyl tötet, ohne vorher zu fragen, sie regiert mit eiserner Faust und hat wenig Geduld. Sie kann grausam, aber auch liebenswert sein; sie kann herzlos sein und sich gleichzeitig zu viele Sorgen machen. Sie ist vollkommen loyal, verlangt dieselbe Loyalität auch von allen anderen und ist am Boden zerstört, wenn sie diese nicht erhält. Ich kann dir Annwyl nicht erklären, Vigholf, und deshalb will ich es erst gar nicht versuchen.«
»Ich vermute, dabei sollten wir es belassen.«
Sie schien erleichtert und richtete den Blick gen Himmel. »Sind das Wolken?«
Vigholf zuckte die Achseln, betrachtete Rhona eingehend und schenkte dem Himmel oder den Wolken nicht die geringste Aufmerksamkeit. »Keine Ahnung.«
Sie sah ihn an. »Das liegt vermutlich daran, dass du mich anstarrst und nicht dorthin siehst, wo die Wolken sind.«
»Ich mag es, dich anzustarren.«
»Na gut.«
»Was heißt das?«
»Nichts. Wir sollten schlafen. Morgen haben wir einen langen Tag vor uns.«
»In Ordnung.«
Rhona stand auf und ging hinüber zu ihrem Schlafsack. Als sie sich ausgestreckt hatte, lag Vigholf bereits neben ihr.
»Was machst du da?«
»Ich schenke dir meine Wärme.«
»Darum habe ich aber nicht gebeten.«
»Ich schenke sie dir trotzdem. So großartig bin ich.«
»Ja, aber …«
»Psst. Du weckst die Pferde auf.«
Rhona schüttelte den Kopf. »Du gibst wohl niemals auf, oder?«
Nein, das tat er nicht. Aber als Vigholf den Arm um ihre Hüfte legte, beschwerte sie sich nicht.
17 Es waren die Blitze, die Rhona am nächsten Morgen aufweckten. Nicht der Blitz drache , sondern richtige Blitze – das, woraus Vigholfs Art gemacht war, so wie Rhona aus Feuer geboren war. Wegen dieser Blitze war sie nicht überrascht, dass der Blitzdrache sie nicht mehr umarmte. Nach ihren beiden gemeinsamen Nächten war Rhona klar, dass Vigholf zu den Drachen gehörte, die sich gern wie eine Schlingpflanze um eine Frau wickelten. In der Vergangenheit hatte sie sich durch Boxen und Treten aus solchen Lagen befreit, doch bei Vigholf störte sie es nicht so sehr. Zumindest zuckte er nicht im Schlaf.
Rhona richtete sich auf und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. Der Donner grollte vom Himmel, und dicke Blitze fuhren über das Land. Sie schienen beängstigend nahe zu sein.
»Ist es gefährlich, wenn ich neben dir sitze?«, fragte sie.
»Die Blitze werden bald vorübergehen. Warte ein paar
Weitere Kostenlose Bücher