Drakhim - die Drachenkrieger - Trilogie
wolltest du in diese vom Krieg gequälte Welt treten, nichts konnte dich daran hindern«, fuhr Derata fort. »Du warst ein kräftiger kleiner Junge mit einer ziemlich lauten Stimme, und sehr hungrig.«
»Ich muss schnell wachsen«, meinte Goren.
»Zu solchen Zeiten ist das ratsam, Goren, doch ich hätte dir etwas anderes gewünscht.« Deratas Blick ging versonnen in die Ferne. Ein trauriger Glanz schimmerte in dem tiefen Braun, den Goren nur allzu gut kannte. Wenn sie sich unbeobachtet glaubte, sah seine Mutter oft sehr traurig aus und hing Erinnerungen an eine Vergangenheit nach, über die sie nie sprach. Aber vielleicht heute ...Â
»Im Mittsommermond war ich wieder stark und konnte dich der Fürsorge einer Amme übergeben, denn es war Zeit, meine Schuld an Darwin Silberhaar zurückzubezahlen. Also forderte ich die besten Männer der Garde heraus, und drei meldeten sich. Nachdem ich mit ihnen fertig war ...«
»Du hast sie besiegt? Einfach so?« Goren zuckte zusammen, als eine Pferdenase ihn anstupste und ihm ins Ohr prustete. Als ob der Hengst bestätigen wollte, was Derata erzählte â er war damals ja dabei gewesen ...
Derata antwortete: »Ich bin seit meiner frühesten Kindheit zur Kriegerin ausgebildet worden, Sohn, und diese Männer vertrauten auf ihre Eitelkeit und ihre Körperkräfte. Sie waren mir in keiner Weise gewachsen.«
Diese Stelle der Geschichte hatte Goren am liebsten, denn da war er besonders stolz auf seine Mutter. Er verstand gar nicht, weshalb Derata nicht auch von den Anderen bewundert wurde, bei so einer Leistung!
Derata schwenkte kurz in eine andere Richtung. »Ab dem Frühlingsmond wirst du lernen, worin der Unterschied zwischen einem Maulhelden und einem echten Krieger besteht.«
Goren konnte es kaum mehr erwarten. Er hing an den Lippen der Mutter.
»Jedenfalls zollten sie mir daraufhin endlich den nötigen Respekt«, fuhr sie fort, »und sie waren bereit, von mir zu lernen. Ich wurde die Anführerin der Garde, und Darwin Silberhaar vertraute mir. Das musste er nie bereuen.«
»Du bist immer aufrecht und ehrlich, Mutter.«
»So, wie du es auch sein solltest, Prinz Naseweis. Manchmal hat der Krieg auch seine Auswirkungen auf Guldenmarkt, wenn versprengte Truppen marodierend durchs Land ziehen. Doch wir haben sie bisher alle zurückgeworfen oder vernichtet, und keine Belagerung war von langer Dauer. Ich nehme meine Aufgabe sehr ernst, mein Sohn. Pflicht und Treue habe ich zu meinen obersten Geboten gemacht, nur so kann ich meine Ehre bewahren.«
Goren runzelte die Stirn. Die nächste Frage fiel ihm nicht leicht: »Warum meiden die Anderen uns dann, Mutter?«
»Weil wir aus einem fernen Land kommen, wo sich die Menschen von den Leuten hier unterscheiden«, antwortete Derata. »Unser Volk ist sehr klein und äuÃerst stolz, Goren. Wir sind daran gewöhnt, unbeliebt zu sein. Es macht uns nichts aus. Wir würden ohnehin nie zu ihnen gehören, auch wenn wir uns darum bemühten.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Du bist noch zu jung. Eines Tages wirst du wissen, wovon ich rede.«
Goren kaute auf seiner Unterlippe. Er hätte seine Mutter gern gefragt, warum sie dann nie das Hemd mit dem Wappen trug, wenn der Unterschied ohnehin so deutlich war.
Er hatte es eines Tages beim Spielen zufällig in einer Kleidertruhe gefunden, ganz unten, sorgfältig zusammengefaltet. Ein Hemd aus fein gewebtem Linnen, das über der Rüstung getragen wurde. Ein weiÃer Drachenkopf auf grünem Grund. In ganz Guldenmarkt hatte Goren bisher kein ähnliches Zeichen gesehen, und es war allgemein bekannt, dass Drachen in Blaeja so gut wie ausgestorben waren und höchstens noch weit entfernt in abgelegenen, unzugänglichen Gebieten lebten. So ein Wappen musste also etwas ganz Besonderes sein und eine interessante Geschichte haben ...
Aber wenn er jetzt die Frage stellte, wurde seine Mutter sicher sehr böse; sie mochte es nicht, wenn Goren herumstöberte und Fragen nach der Vergangenheit ihres Volkes stellte. Aber: Wenn sie damit nichts mehr zu tun haben wollte, weshalb hob sie das Hemd dann auf?
Nein, diese Frage würde er besser nicht stellen, entschied Goren, nicht heute. Dafür aber rutschte ihm eine andere Frage heraus, die ihn häufig beschäftigte, weil er den Beinamen »Vaterlos« als Spottruf trug. »Und was ist mit meinem
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