Draußen wartet die Welt
aus, so als hätten wir stundenlang gearbeitet. »Ich ziehe mich für eine Weile in mein Arbeitszimmer zurück. Du kannst machen, wozu du Lust hast.« Ich schlenderte von einem Zimmer zum anderen, hielt mich im Hintergrund und lauschte den unterschiedlichen, neuartigen Geräuschen, die aus den verschiedenen Räumen drangen.
Im Familienzimmer sahen die Kinder fern. Ich hatte schon früher Fernseher gesehen, als ich noch kleiner gewesen war und meine Mutter mich mitgenommen hatte, wenn sie die Häuser englischer Familien putzte. Aber ich hatte nie verstanden, woher all das Gelächter kam. Manchmal waren nur zwei Personen zu sehen, und trotzdem begannen Hunderte von Stimmen herzhaft zu lachen, wenn jemand etwas Unerwartetes von sich gab.
Janie und Ben lagen auf dem Fußboden, die Ellbogen aufgestützt, ihre Gesichter auf den Bildschirm gerichtet. Ich setzte mich auf die Couch und war gespannt, was sich die Kinder in diesem Kasten anschauten.
»Wer ist denn der Mann da?«, fragte ich und deutete auf einen glatt rasierten Mann mit vollem dunklem Haar.
»Das ist Onkel Jesse«, antwortete Janie, ohne sich vom Bildschirm abzuwenden. »Er ist der Bruder von der Mutter der Kinder. Sie ist gestorben.«
»Woran ist sie gestorben?« Ich versuchte, nicht schockiert zu klingen. Die Kinder im Fernsehen schienen nicht um ihre tote Mutter zu trauern.
Ben zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Vielleicht ein Autounfall. Vielleicht Krebs.«
»Und wer ist das?«, fragte ich erneut.
»Das ist Joey«, sagte Janie. »Er ist ein Freund, der bei ihnen zu Hause wohnt.«
»Jetzt musst du zusehen«, fügte Ben hinzu. »Gleich spielt Stephanie bei einer Talentshow Gitarre, aber sie hat nicht geübt, und deshalb ist sie richtig mies.«
»Woher weißt du denn, was passiert?«, wunderte ich mich.
»Weil wir das schon mal gesehen haben«, antwortete Janie. »Das ist eine Wiederholung.«
»Na, wenn ihr es schon mal gesehen habt …«, begann ich. Aber meine Stimme erstarb. Die Sendung, die die Kinder anschauten, übte eine seltsame Faszination auf mich aus. Alle im Fernsehen wirkten so schlau – sogar das kleinste Mädchen, das noch nicht mal so alt war wie Janie. Auch ich musste lachen, als Stephanie ihren Auftritt vermasselte. Und ich verspürte eine gewisse Befriedigung, als sich ihr Vater später mit ihr unterhielt und ihr erklärte, dass man fleißig üben musste, wenn man in etwas gut sein wollte. Als die Sendung zu Ende war, war alles geklärt und wieder in Ordnung.
Die Kinder blieben auf dem Boden liegen und warteten auf die Sendung, die im Anschluss lief. Ich wollte jedoch lieber nachsehen, was Sam und Rachel machten.
Ich entfernte mich auf Zehenspitzen vom Fernseher und ging langsam den Flur hinunter, der das Familienzimmer mit dem Wohnzimmer verband. Sam blickte auf und nickte mir zu, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder der Zeitung widmete. Aus irgendeiner unsichtbaren Quelle strömte Musik in den Raum, so als fließe sie aus den Wänden. Er sah so friedlich aus mit seiner Zeitung und seiner Musik. Ich versuchte, mich daran zu erinnern, ob ich je erlebt hatte, dass mein Vater nichts zu erledigen hatte. Ich hätte ihm gerne von der Zufriedenheit in diesem Zimmer erzählt.
Im Arbeitszimmer saß Rachel vor einer Maschine mit Tasten, auf denen Buchstaben standen – eine größere Version der Maschine, die sie in der Pension benutzt hatte. »Komm rein«, sagte sie. »Hast du schon mal einen Computer gesehen?«
Ich schüttelte den Kopf, stellte mich neben Rachels Stuhl und sah zu, wie ihre Finger Worte in hübschen Reihen über den Bildschirm marschieren ließen.
»Ich schicke eine E-Mail an meine Mutter«, sagte Rachel. »Sie lebt in Florida.«
»Was ist eine E-Mail?«, fragte ich.
»Das ist die Abkürzung für electronic mail, elektronische Post.« Rachels rechte Hand schloss sich um einen ovalen Gegenstand, der auf einer kleinen rechteckigen Matte lag. »Das Ding hier nennt sich Maus.«
Sie drückte auf die Maus und die Worte auf dem Bildschirm verschwanden. »So«, sagte sie mit einer gewissen Befriedigung in der Stimme. »Wenn meine Mutter das nächste Mal ihren Computer anschaltet, wartet diese E-Mail schon auf sie.« Sie drehte sich zu mir um. »Willst du noch ein paar andere Sachen sehen, die man mit dem Computer machen kann?«
»Ja«, antwortete ich, und meine Stimme überschlug sich beinahe vor Aufregung.
»Okay, das Internet werde ich dir heute Abend noch nicht erklären. Dafür brauchen wir ein
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