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Draussen

Draussen

Titel: Draussen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lachmann
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Verhältnis gehabt haben musste, denn er erzählte so liebevoll von ihr, dass mir ganz warm ums Herz wurde. Ich konnte das Gespräch jetzt nicht unterbrechen. Fieberhaft überlegte ich, wie ich mich aus der Situation befreien konnte, während ich durch teilnahmsvolle »Mhm«s und »Ach, schööön«s mein Zuhören signalisierte. Hektisch kritzelte ich »Blasentraining« auf meine To-do-Liste. Wie genau das aussehen sollte, wusste ich nicht, aber ich stellte mir vor, dass ich durch eifriges Trainieren meines Beckenbodens irgendwann trotz Schwarztee und Apfelschorle einen halben Tag lang nicht würde pinkeln müssen und vielleicht, als kleiner unterhaltsamer Nebeneffekt, Münzen oder Weintrauben mit den Schamlippen würde aufheben können. Warum gerade Münzen oder Weintrauben? Ich wusste es auch nicht. Im Moment hatte ich ja sowieso andere Probleme.
    Dummerweise telefonierte ich ja auch nicht mit dem schnurlosen Telefon, sondern mit dem Fax, sonst hätte ich mich einfach auf die Toilette geschlichen und mit so einem ganz dünnen, langsamen Strahl gegen die Innenseite der Kloschüssel gepinkelt, dass man kein Plätschern vernommen hätte. Das hatte ich schon erprobt.
    Jetzt war guter Rat teuer. Unruhig ging ich hin und her, soweit es das Telefonkabel zuließ. Ich merkte, wie ich anfing zu schwitzen. Ja, das war gut. Vielleicht konnte ich die Getränke ausschwitzen. Nein. Der Druck wurde stärker, und allein die Gewissheit, dass ich jetzt nicht so einfach auf Toilette konnte, erhöhte ihn noch um ein Tausendfaches. Als er von der Beerdigung seiner geliebten Großmutter erzählte, die direkt am Friedhofsee begraben worden war, konnte ich nicht mehr. Panisch sah ich mich nach wasserdichten Behältern in meinem Arbeitszimmer um. Da, der Plastikmülleimer! Gottseidank hatte ich ihn gerade erst geleert. Urin war ja nichts Schlimmes, manche tranken das ja sogar, redete ich mir ein, während ich mich über den Abfalleimer hockte. Ausgerechnet jetzt schwieg Felix. Ich hörte nur ein leises Schluchzen in der Leitung. Verdammt, ich musste so dringend, dass ich fast implodiert wäre bei dem Versuch, geräuschlos zu urinieren. Es plätscherte. Mir war so heiß wie nach einer Stunde Bauch, Beine, Po. »Entschuldige, dass ich dir hier was vorheule. Aber bei dir habe ich so das Gefühl, dass ich weinen darf. Du bist toll!« schluchzte er. Das Plätschern wurde lauter. Na prima, der Mülleimer war ein Ia-Resonanzobjekt. Scheiße. Schnell griff ich zu einem Päckchen Taschentücher und schnäuzte mich laut und ausgiebig, obschon ich keinen Schnupfen hatte. »Klar, ich find’s toll, wenn Männer Gefühle zeigen«, presste ich zwischen zweimal Ins-Taschentuch-Prusten und Endlich-entspannt-Wasserlassen hervor. Gott, was man manchmal alles gleichzeitig machen musste, nur um nicht taktlos zu sein. Ich wusste, warum ich mich nicht für Skypen interessierte.
    »Ach, du bist ja süß, nicht weinen, entschuldige, das wollte ich nicht.« Puh, Felix hatte anscheinend tatsächlich nur das Schnäuzen gehört und zu meinen Gunsten interpretiert. Herrlich. Ich war in jeder Hinsicht sehr erleichtert.
    Er seufzte: »Du, es ist mir ja total unangenehm, aber können wir gleich weitertelefonieren? Ich muss mal ganz dringend.« Ach. So einfach ging das?
    »Ja, klar, kein Problem. Ich ruf dich in zehn Minuten noch mal an«, sagte ich ruhig und betrachtete resigniert meinen dampfenden Mülleimer.

Kapitel 5
Bodycheck
    Die Party war in vollem Gange. Es waren fast alle gekommen, und einige hatten sogar noch jemanden mitgebracht. Ulf flirtete mit einer Brünetten mit knabenhafter Figur, Brille und Pferdeschwanz, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Sie schienen sich gut zu verstehen. Das freute mich. Bestimmt gehörte sie zu den Frauen, die wahnsinnig toll aussahen, wenn sie erst die Brille abgesetzt und das Haar gelöst hatten. So wie die ganzen Sandra Bullocks und Anne Hathaways, bei denen man gegen Ende des Films jedes Mal total ungläubig fragte: »Moment – diese wunderwunderschöne sexy Frau ohne Brille mit der Wallemähne soll dieselbe sein wie die Trockenpflaume vom Anfang? Da war nichts, gar nichts zu erkennen. Das hätte ich nie gedacht!«
    »Ey, entschuldige, habt ihr vielleicht noch ’nen Korkenzieher? Ich kann den anderen nicht mehr finden«, fragte mich die ehemalige Mitbewohnerin von Connie, deren Namen ich immer vergaß. Sie war extra aus Bochum zu Connies Geburtstag gekommen und wollte auch hier übernachten. Eigentlich kannte ich mich in

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