Draussen
Connies Wohnung fast genausogut aus wie in meiner eigenen, aber von der Existenz eines weiteren Korkenziehers wusste ich nichts, und ich hatte gehofft, die nervige Phase, in der man als Gastgeberin beziehungsweise ihre Gehilfin ständig mit »Hast du mal …?«, »Kannst du mal …?« und »Wo ist denn …?«-Wünschen konfrontiert wird, sei vorbei und ich könne mich endlich auch mal richtig ins Partygetümmel stürzen. »Reindrücken« – empfahl ich Melanie/Mareike/Michaela – irgendwas mit »M« war es gewesen –, woraufhin sie mich verständnislos anblickte: »Na, den Korken!«
»Sucht ihr den hier?« Ein Herr wedelte mit dem Korkenzieher. Er war ganz adrett anzuschauen, blonde Locken, braune Augen, schlank und breitschultrig.
Allerdings hatte er einen leicht arrogant-spöttischen Zug um die vollen Lippen. Ansonsten gehörte er wirklich in mein Beuteschema, ich mochte seinen lässigen Kleidungsstil und seine Stimme. Irgendwie kam die mir auch bekannt vor.
»Ja, danke!« Die Weinfrau strahlte ihn an. Als er sich umdrehte, um aus der Küche zu gehen, flüsterte sie mir zu: »War das nicht Alex Arg, der Radiomoderator?« – »Ach ja, das kann sein.« Daher kam er mir also bekannt vor. Connie hatte mir erzählt, dass er ein neuer Yogaschüler von ihr war. Er gehörte zu einem dieser wahnsinnig frischen Sender, die aus allen Jahrzehnten die langweiligsten Songs spielten, die niemand hören wollte. Lustig, wenn man »Das ist Alex Arg« sagte, konnte man sowohl ihn als auch sein Erdmöbel meinen. Hui, ich sollte mal mit dem Rotwein aufhören und mich an die Bionade halten.
»Sara, kann ich dich kurz mal sprechen?« Connie kam mit besorgtem Gesicht in die Küche. Ich wusste nicht, warum sie mich nicht hätte sprechen können, schließlich war das hier eine Party und keine Tagung der sieben wichtigsten Industrienationen und Russlands, in die sie hineinplatzte. Ich dachte, sie hatte vielleicht Neuigkeiten von Ralf, einem Mann, der sie im Bus angesprochen hatte und mit dem sie sich treffen wollte. »Was gibt’s denn?« – »Du, hm, Didi ist eben gekommen und er … hat Stefan mitgebracht.« Stefan! Ausgerechnet! Allein bei seinem Namen rutschte mir das Herz in die Kniekehlen. Wir hatten uns bestimmt vier Monate nicht mehr gesehen. Ich war ihm aus dem Weg gegangen. Wir waren zwar nur drei Monate zusammen gewesen, aber die Zeit hatte mir gereicht, um mich so zu verlieben, dass ich immer noch fast jede Nacht von ihm träumte. Es gab ja die goldene Regel, dass man genausolange brauchte, über den anderen hinwegzukommen, wie man zusammengewesen war. Das konnte und wollte ich aber nicht glauben – wenn das wahr wäre, was sollten dann Leute tun, die sich nach vierzig Jahren Ehe scheiden ließen? Mir war etwas übel. Vielleicht war die Idee mit der Bionade doch nicht so gut. Man sollte ja auch nicht so viel durcheinandertrinken. Ich griff zum Wein. Ich war total verknallt gewesen in Stefan, aber er war sich nie sicher gewesen, was er eigentlich wollte. Das hatte mir dann irgendwann gereicht und ich hatte den Kontakt abgebrochen.
»Seh ich fantastisch aus?« fragte ich Connie – ich hatte mich heute nicht großartig rausgeputzt, sondern eher auf Jeans gesetzt und seit den 80er Jahren zum ersten Mal wieder einen Body angezogen. Den hatte ich neulich bei H&M entdeckt und gekauft, weil er so einen raffinierten Ausschnitt hatte, der mein sonnengebräuntes Dekolleté optimal zur Geltung brachte, wie ich fand. Außerdem hatte ich mich wieder einmal an »Smokey Eyes« versucht und es tatsächlich ganz gut hinbekommen. »Du siehst toll aus, mein Herz, aber er ist leider auch immer noch nicht ganz hässlich.« Sie hatte Recht. Der Raum, eben noch in verschwommenes Halbdunkel getaucht, erstrahlte plötzlich in hellem Glanz, ich musste die Augen zusammenkneifen, so als hätte ich auf einem lichtüberfluteten Platz die Sonnenbrille abgenommen. Die Gespräche im Raum verstummten und selbst die Musik wurde immer leiser, bis sie schließlich gar nicht mehr zu hören war. Alle Gäste sahen zur Tür, die Frauen leckten sich mit der Zunge den Geifer von den Lippen und ihre Partner legten besitzergreifend den Arm um sie und grinsten nervös. Stefan war immer noch der schönste Mann der Welt. Seine dunkelblauen Augen schienen mich zu durchdringen, das schwarze Haar hatte den perfekten Verwuschelungsgrad und seine Wangengrübchen hatten wie damals das Zeug, mich besinnungslos zu machen. Ich liebte seine jungenhafte Art, die er mit seiner
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