Draussen
grünen Kapuzenjacke und den Turnschuhen noch unterstrich. Ich liebte es, wie er verlegen die Schultern hochzog, als er mich begrüßte, ich liebte sein Muttermal rechts auf seiner großen Nase, seine Stimme, seinen Duft. Kurz nachdem wir uns kennengelernt hatten, hatte ich beruflich eine Woche nach München fahren müssen – und war jeden Tag in eine Drogerie gegangen, um mir seinen Duft – Chanel – aufzusprühen und ihm nahe zu sein.
»Na du? Ich hoffe, das ist o.k. für dich, dass ich hier bin, ich meine, Didi hat mich mitgeschleift und Connie ist ja in erster Linie deine Freundin, also, wenn du ein Problem damit hast, dass ich hier bin …« – »Ein Problem? Hä? Wieso denn? Nö. Wirklich nicht. Alles bestens«, hörte ich mich sagen und dachte, dass mein Lächeln vermutlich so unnatürlich aussah, als hätte ich gerade das zwanzigste Lifting hinter mir. »Ich muss nur mal kurz telefonieren und hier drin ist der Empfang so schlecht, also, wir sehen uns!« Ich drückte mich an ihm vorbei aus der Küche und merkte nicht, dass ich mein Handy auf dem Küchentisch liegengelassen hatte. Ich eilte ins Bad und atmete tief durch. »Nein, du heulst jetzt nicht. Endlich hast du die Smokey Eyes mal so schön hingekriegt, kein Kerl ist es wert, dass dein Augen-Make-up zerstört wird.« Ich redete laut auf mich ein. »Ich bin viel zu toll für diesen Typen, er hat mich gar nicht verdient. Ich finde noch einen viel besseren.« Ich bemühte alle Sprüche, mit denen ich schon x-mal Freundinnen in entsprechenden Situationen zu trösten versucht hatte. Das war immer viel einfacher gewesen. Was gab es denn noch? Ach ja, richtig: seine Fehler. »Er raucht. Das ist ekelhaft. Ich will gar keinen Freund, der raucht. Und das eine Mal, als wir uns getroffen haben, hatte er das Hemd IN der Hose. Und er hat einen Rundrücken.« Irgendwie konnte ich mich nicht überzeugen.
Immerhin heulte ich nicht. »Mir geht es gut und ich bin eine glückliche Singlefrau.« Autosuggestion war sehr gut, mir ging es schon besser.
Plötzlich wurde mir bewusst, dass jemand gegen die Tür klopfte. Er konnte schon eine Weile geklopft haben. »Hallo? Ist die Sprechstunde bald zu Ende? Ich müsste mal!« Oh. Der Radiomoderator. Schnell schloss ich die Tür auf und ging hocherhobenen Hauptes lächelnd hinaus. Insgeheim hoffte ich natürlich, dass er nichts Inhaltliches mitbekommen hatte. Er sah mich mit diesem überheblichen Blick an, der mir schon gleich zu Anfang aufgefallen war. »Alles klar?« Ich nickte nur und entschwand auf den Balkon. Ich wollte rauchen. Auf der Stelle. Dass ich Nichtraucherin war, war mir in dem Moment egal.
Draußen stand Ulf. »Hey, ich hab gesehen, dass Stefan hier ist, scheiße, alles klar bei dir?« Wieso wollte alle Welt plötzlich wissen, ob alles klar war? »Klar ist alles klar. Ich glaube, ich bin wirklich drüber weg.« Jetzt war es doch schlauer, nicht zu rauchen, denn dann hätte Ulf gemerkt, dass überhaupt gar nichts klar war. Ich versuchte zu lächeln, aber Ulf merkte, wie ich kämpfte. »Mann, Sara, du bist viel zu toll für den. Du wirst bestimmt bald jemanden kennenlernen, der dich wirklich verdient hat. Hier sind doch auch ein paar ganz interessante Typen. Hast du den Radiomoderator gesehen? Pass auf, ich wette du gehst heute nicht ohne mindestens eine Telefonnummer nach Hause!« Ich zwang mich zu einem Grinsen. Ich hatte jetzt gerade so gar keinen Bock auf diese Mitleidsnummer. Wenn ich mir selbst leidtat, war das was anderes. Und: Ich hatte noch nie im Leben auf einer Party von irgendwem eine Telefonnummer bekommen. Ich wusste nicht, wie die anderen das machten. Obwohl, doch: Einmal hatte ich mit einem Typen auf einer Feier Nummern getauscht, weil ich ihm auf seinen Cassettenrecorder gekotzt hatte. Allein an dem Wort »Cassettenrecorder« konnte man sehen, wie lange selbst das her war. »Ach weißt du, Ulf, mir gibt doch niemand freiwillig seine Nummer.« – »Weil du vielleicht auch niemanden danach fragst? Und jetzt komm mir nicht mit der ›Der Mann muss den ersten Schritt machen‹-Nummer.« – »Wieso? Ist doch so. Selbstbewusste Frauen, die euch ansprechen, machen euch doch Angst!« – »Vielleicht auf der Reeperbahn, ja, aber sonst nicht. Wir wollen auch mal erobert werden. Ich finde das klasse, wenn eine tolle Frau auf mich zugeht!« – »Und woher weiß ich, welche Frauen du toll findest?« – »Trial and Error.« Ulf grinste. »Nee, aber im Ernst, diese Zeiten sind vorbei, in denen wir Männer
Weitere Kostenlose Bücher