Dray Prescot 01-Transit nach Scopio
Aphrasöe suchte ich unwillkürlich – und mit fortschreitender Zeit gegen meinen Willen – nach dem sprichwörtlichen Haar in der Suppe, nach der Wahrheit hinter der Fassade, nach dem Haken – nach all dem, was ich vermutete und was ich zu finden fürchtete. Damals wußte ich schon, daß es Zwangsmethoden gab, hatte ich doch selbst schon danach gehandelt. Die Rekrutierkommandos, die ihre menschliche Fracht auf den Schiffen abluden; elend, seekrank, ängstlich, trotzig. Die neunschwänzige Katze und Billy Pitts Quotenmänner zähmten sie. Disziplin wurde allseits verstanden, eine nackte Lebenstatsache, unter den gegebenen Umständen ein notwendiges Übel. Auch hier vermutete ich Kräfte, die hinter diesen ehrlichen Menschen im dunkeln wirkten.
Später habe ich viele Systeme der Kontrolle erlebt und studiert. Auf Kregen lernte ich Disziplin und Ordnungsmethoden kennen, die alle berüchtigten Gehirnwäschemethoden der politischen Imperien der Erde daneben wie Ermahnungen einer grauhaarigen Mädchenschuldirektorin erscheinen lassen.
Wenn es Gehirnwäschen oder andere Zwangsmethoden in Aphrasöe gab, so war ich mir solcher geheimen Kontrollen damals wie heute nicht bewußt – und mein Wissen hat sich seither erheblich vertieft.
Als der Fahrstuhl hielt und die Türen von allein aufgingen, fuhr ich zusammen. Ich hatte keine Ahnung von Selenzellen und Solenoiden und von ihrer Anwendung bei selbsttätigen Türen. Es mag in diesem Zusammenhang drollig klingen, daß zu meinem damaligen Wissen bereits einige ›moderne‹ Aspekte gehörten; so wußte ich, daß es einen Stoff gab – ob nun fest, flüssig oder was sonst, wußte niemand –, der vis electrica genannt wurde, von dem englischen Physiker Gilbert so bezeichnet, abgeleitet von dem griechischen Wort für Bernstein – Elektron. Ebenso wußte ich von Hauksbees Versuchen mit Funken. Ich hatte auch von Volta und Galvani gehört, und ihre Forschungen hatten mich gefesselt – und dann brachte mich die Vorstellung, daß man einen Froschschenkel zum Zucken bringen könnte, sofort auf die Fabel mit dem Frosch, die mir im Blattboot eingefallen war, als der große Skorpion mich anstarrte und dabei seine Augen auf und nieder fahren ließ wie die Fahrstühle in den Baumstämmen.
Ich trat in frische, würzige Luft hinaus. Ringsum erstreckte sich die Stadt. Die Stadt! Ein Anblick, den kein Mensch in sich aufnehmen und wieder vergessen konnte. Aus dieser Höhe zeigte der See eine fast runde Form, nur durch die vielen riesigen Stämme unterbrochen – unwillkürlich nannte ich sie Stämme, aber sie gehörten bestimmt einer älteren Pflanzengattung an als Bäume. Von ihren Spitzen hingen die Bündel der Fäden und Bänder hinab. Ich muß zugeben, daß mir bei diesem Anblick ein schändlicher Gedanke kam, denn die herabhängenden Streifen erinnerten entfernt an die neunschwänzige Katze, wie sie in der Faust des Bootsmannsmaats angehoben wird, um einen Matrosen auszupeitschen.
Im Geländer vor uns führte ein Durchgang ins Nichts. Maspero näherte sich zuversichtlich der Öffnung. Er berührte einen farbigen Knopf an einer Kontrollanlage auf einem kleinen Tisch, über der zu lesen stand: Schneise Süd Zehn . Eine Plattform mit einem umschließenden Geländer, die vier Passagiere aufnehmen konnte, segelte durch die Luft auf uns zu und hakte sich an der Öffnung der Plattform fest, auf der wir standen. Sie war zu uns heraufgeschwungen. Ich bemerkte ein Seil, das von einer Halterung in der Mitte der Luftplattform nach oben führte – und erriet sofort, daß das Seil in Wirklichkeit eine Faser der großen Pflanze war. Maspero forderte mich mit höflicher Handbewegung auf, an Bord zu gehen. Ich trat vor und spürte das Nachgeben, als das Seil mein Gewicht trug. Maspero sprang hinter mir auf, löste den Koppelmechanismus, und sofort schwangen wir in einem weiten Bogen abwärts und beschleunigten dabei erheblich, wie ein Kind beim Abwärtsschwung auf seiner Schaukel.
Wir schwangen durch die Luft, und das Seil bog sich im Winddruck über uns, flog zwischen den Stämmen und ihren gewölbten Häusern dahin, und während wir noch unterwegs waren, sah ich, daß viele andere Leute in allen möglichen Richtungen an uns vorbeipendelten. Maspero hatte sich gesetzt, damit sich sein Kopf hinter dem durchsichtigen Windschutz befand und er mit mir sprechen konnte. Ich aber blieb stehen, ließ mir den Wind um die Ohren wehen, so daß mein Haar wie eine Mähne flatterte.
Er erklärte mir, daß
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