Dray Prescot 03-Der Schwertkämpfer von Scorpio
langen Schlägen, die das kleine Boot über das sonnenhelle Wasser des Auges der Welt trieben.
4
Es machte mir keine Freude, sondern bereitete mir im Gegenteil nicht geringe Qual, eine Frau zu tadeln, die sich völlig zu Recht um ihr Kind sorgte und die ihre Würde zu wahren versuchte, ohne den Ängsten nachzugeben, die in ihr toben mußten. Aber wie ich oft genug habe erfahren müssen, kann es an Bord eines Schiffes nur einen Kapitän geben.
Außerdem war sie eine Sklavenhalterin und eine Vertreterin jener Klasse, die mir nach meinen Erlebnissen im fernen Zenicce und in Magdag am wenigsten zusagte.
Wir setzten das Segel und erreichten bald Hafen, Arsenal und Festung Happapat, wo wir Lady Pulvia na Upalion in die Obhut von Verwandten gaben, die sie und das Kind entsetzt bejammerten und schleunigst in ihren Palast entführten.
Als ihre Wächter – blonde Proconier in Kettenhemden und mit Langschwertern, die nicht abgeschliffen waren – Seg und mich in die Sklavengehege des Ortes brachten, war ich nicht im geringsten überrascht.
Etwas anderes konnte man von einem Sklavenhalter auch nicht erwarten – eine Einstellung, die Seg ebenso widerlich fand wie ich.
Wir brachen auch sofort aus, stießen ein paar Wächter mit den Köpfen zusammen und entkamen mit Weinhäuten und einem knusprig gebratenen Voskschenkel zum Hafen. Das Fischerboot, das wir gestohlen hatten, um Lady Pulvia, das Kind und Caphlander zu retten, lag noch dort vertäut, wo wir es verlassen hatten. Ich wußte, daß sich ein volles Wasserfaß an Bord befand. Wir warfen unsere kärglichen Besitztümer an Bord, durchschnitten das Tau und ruderten aus dem Hafen. Wir hatten längst Segel gesetzt und fuhren in den Sonnenuntergang, als die Hafenwächter Alarm schlugen.
»Das wär's also, Dray Prescot«, sagte Seg Segutorio. »Und was jetzt?«
Ich betrachtete voller Sympathie den leichtsinnigen, jungen Mann mit dem gebräunten, hageren Gesicht und den furchtlosen, schlauen Augen. Er war ein guter Kampfgefährte, und einen Augenblick lang dachte ich mit beklemmender Sehnsucht an all die anderen guten Freunde, die ich auf dieser Welt gefunden hatte. Dem Wesen nach bin ich ein Einzelgänger, ein Mann, der sich nach seinen eigenen Verdiensten bewertet und sich ungern mit anderen vergleichen läßt. Das ist ein Fehler. Ich dachte an Nath und Zolta, meine beiden Rudergefährten, die sich nicht von Wein und Weib fernhalten ließen. Ich mußte daran denken, wie sich Nath zurücklehnte, einen vollen Krug an die Lippen setzte und sich mit dem Unterarm über den Mund fuhr und rülpsend sagte: »Gesegnete Mutter Zinzu! Das war nötig!« Und wie Zolta dann schon das hübscheste Mädchen in der Schänke auf dem Schoß hatte.
Ich hörte auf zu rudern und dachte auch an Zorg und Felteraz, meine anderen Ruderfreunde, und an Prinz Varden Wanek, an Gloag und an Hap Loder. Diese Erinnerungen an meine Kameraden machten mir zu schaffen, und ein Gefühl der Müdigkeit und Niedergeschlagenheit überkam mich. Es wäre verzeihlich, wenn Sie aus meinem bisherigen Bericht schließen würden, daß Kregen eine Männerwelt ist. Ungeachtet der Prinzessin Natema Cydones, der Prinzessin Shusheeng und anderer vornehmer Damen von großer Macht, zu denen auch Lady Pulvia na Upalion gehört, ließe sich annehmen, daß auf Kregen die Männlichkeit ausschlaggebend ist, daß Muskelkraft und Kampfgeschicklichkeit alles bedeuten.
Das wäre natürlich ein Irrtum.
Trotz meiner plötzlichen Niedergeschlagenheit vergaß ich doch keinen Augenblick, was mich auf dieser Welt bewegte.
Welche Pläne die Herren der Sterne auch mit mir haben mochten – ich hatte meine eigenen Ziele. Zuerst wollte ich meine geliebte Delia von den Blauen Bergen finden. Sobald das geschehen war, gedachte ich Kregen zu bereisen, um Aphrasöe wiederzufinden, die Stadt der hochzivilisierten Savanti, die Schwingende Stadt. Dort glaubte ich, das Paradies finden zu können.
Wir segelten auf das Binnenmeer hinaus, und Seg schien nichts dagegen zu haben, daß ich unseren Kurs bestimmte. Er sagte lachend: »Wir Erthyr sind ein Bergvolk. Das Meer ist nicht unsere zweite Heimat.«
Die milde Nacht hüllte uns ein. Das Meer wiegte das Boot mit schützender Ruhe. Die Sterne schimmerten hell am Himmel. Eine leichte Brise füllte das Segel.
Ich blickte zu den Sternen empor, die ich gut kannte. Viele Nächte lang hatte ich sie von Deck meines Ruderers aus beobachtet, wenn wir zu nächtlichen Überraschungsangriffen gegen die
Weitere Kostenlose Bücher