Dray Prescot 03-Der Schwertkämpfer von Scorpio
fallen sehen! Beim verschleierten Froyvil – sie kann nicht tot sein! Das darf nicht sein!«
Er betrat das Zimmer mit der alten unbekümmerten Art; dabei humpelte er fast nicht mehr. Es ging im offenbar viel besser.
»Nein«, sagte ich mit krächzender Stimme. »Nein – es wäre wirklich undenkbar, so etwas darf nicht sein! Meine Delia, sie ist nicht tot ...« Ich fuhr zu Thelda herum, die sich langsam aufrichtete. »Welcher Tarn war es, Thelda! Ich werde den See absuchen!«
Nichts vermochte mich aufzuhalten.
Hwang wies mich auf die Gefahren hin und machte mich darauf aufmerksam, daß die Impiterreiter noch in der Gegend sein konnten – doch ich schob seine Einwände beiseite. Ich legte mein rotes Lendentuch an, gürtete mein Langschwert und wickelte mir einen Schlafsack und etwas Proviant ein. Schließlich nahm ich meinen neuen Langbogen, warf mir den vollen Köcher über die Schulter, lieh mir einen Nactrix und galoppierte los.
Wie erwartet, ritt nach kurzer Zeit Seg neben mir.
Als wir den Ort des Massakers erreicht hatten, waren uns Hwang und ein Regiment seiner Kavallerie dicht auf den Fersen. Der Neffe der Königin hatte mir einige der Gründe genannt, die zu der katastrophalen Niederlage geführt hatten. Die Kämpfer der Stadt hielten ihre Traditionen hoch und bestanden auf strengen Formationen und Vorschriften, die schon allein wegen ihres Alters unantastbar waren. Ein gewisser Ratsherr Forpacheng hatte Verrat geübt – nicht Orpus, den die Königin verdächtigt hatte und der beim Angriff auf der Treppe wie durch ein Wunder verschont worden war. Forpacheng hatte die Truppe in das Tal geführt und sie dort ihrem Schicksal ausgeliefert. Unter seinen widersprüchlichen Befehlen war die Ordnung im Heer zusammengebrochen. Hwang berichtete mir, daß nun aus den Überresten der Truppe und mit jungen Rekruten eine neue Armee aufgestellt würde, die die Fehler der Vergangenheit vermeiden sollte.
Der Teich lag düster und unheildrohend unter den Sonnen.
Ich tauchte hinab. Ich schwamm hinaus und tauchte, bis meine Lungen zu brennen begannen und alle Sonnen des Universums vor meinen Augen kreisten. Delia fand ich nicht.
Die Erinnerung an diese Zeit ist seltsam unscharf. Ich erinnere mich, daß Männer auf mich einredeten und mich drängten, meine Versuche einzustellen; ich weiß noch, wie ich qualvolle tiefe Atemzüge machte und immer wieder hinabtauchte, begleitet von der alptraumhaften Befürchtung, daß meine Hände den aufgedunsenen und halb zerfressenen Körper meiner Delia aus Delphond ertasten würden.
Für Erschöpfung war in meinen Plänen kein Platz.
Ich gedachte, jeden Quadratzentimeter des Seegrundes und jeden Kubikzentimeter Wasser abzusuchen; und wenn ich meine Delia nicht fand, wollte ich noch einmal von vorn beginnen. Ich wollte sie weiß Gott nicht finden; aber ich wollte die Aufgabe nicht unerledigt lassen und den Rest meiner Tage von Unsicherheit geplagt werden.
Vielleicht rettete mich schließlich nur die Ankunft Orpus' mit weiteren Soldaten. In meinem abgestumpften Zustand kamen mir diese Männer ganz vernünftig vor, weiß Zair. In ihrer Begleitung war ein Mann, dessen Haar tiefrot gefärbt war.
Ich richtete mich auf und hatte plötzlich das Langschwert in der Hand. Ich eilte auf den Rothaarigen zu und hörte Seg etwas rufen; er packte meinen Arm.
»Nein, nein, Dray! Der Mann stammt aus Hiclantung. Er hat sich nur das Haar gefärbt, weil er gekundschaftet hat ...«
»Ein Spion«, sagte ich tonlos.
»Ja, ja – und hör dir an, was er zu sagen hat! Er glaubt, den Ort gefunden zu haben, an dem Delia gefangengehalten wird!«
Als ich wieder etwas zu mir gekommen war und die Neuigkeiten verdaut hatte, war mein nächster Schritt klar.
Der Spion, ein gewisser Naghan, hatte sich sehr klug angestellt; er war offenbar ein mutiger und erfindungsreicher Mann. Er hatte feststellen sollen, wer den nächtlichen Angriff auf die Königin angestiftet hatte. Dazu war er zunächst nach Chersonang gereist, in den benachbarten Stadtstaat, der mit Hiclantung im Unfrieden lebte. Dort stellte er fest, daß sich die ganze politische Situation verändert hatte. Eine neue Macht war in die Unwirtlichen Gebiete eingedrungen. Aus dem fernen Nordwesten war eine Barbarenhorde nach Süden vorgestoßen – ähnlich wie damals beim Niedergang des walfargischen Reiches. Sie waren auf Impitern, Corths und Zizils südwärts geflogen mit der Absicht, neues Land zum Siedeln zu finden. Sie hatten ein Gebiet erobert, das
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