Dread Empire's Fall 01 - Der Fall des Imperiums
sich, dass er sich endlich in Bewegung setzten durfte, auch wenn es quälend langsam ging. Bei diesem feierlichen Trauermarsch war es üblich, den Fuß ein oder zwei Sekunden innehalten zu lassen, ehe man ihn wieder auf den Boden setzen durfte. Die gewienerten Kampfstiefel wirkten schneidig und elegant, waren aber unangenehm schwer, wenn man sie auf diese Weise in der Luft halten musste. Auch der Rest der Uniform hatte gewisse Nachteile. Wenn die Prozession die freien Räume zwischen den Palästen an der Straße erreichte, erfasste der Wind die hohe Mütze und peitschte dem nächsten in der Reihe das Cape ins Gesicht.
Er blinzelte und rückte seinen Hut zurecht, was der Kapitän rechts neben ihm mit einem giftigen Blick quittierte.
Die Prozession kroch weiter. Bei jedem Schritt schlug die Scheide des gekrümmten Messers gegen sein Bein. Am Straßenrand waren Abordnungen von Kadetten eingeteilt, die dort für Ordnung sorgen sollten. Unwillkürlich suchte Martinez nach dem hellen Haar und den strahlenden Augen von Kadett Sula. Er fand sie nicht und schalt sich einen Narren, weil er sich überhaupt nach ihr umgesehen hatte.
Als sie davongelaufen war und ihn wie einen Trottel in dem Ausflugsboot hatte stehen lassen, war er zunächst ausgesprochen wütend gewesen. Seine Laune hatte sich
auch nicht gebessert, als er in seine Wohnung zurückgekehrt war und das kalte Abendessen für zwei vorgefunden hatte, das Alikhan zubereitet hatte. Martinez hatte es ganz unzeremoniell in den Kühlschrank geschoben und war zu Bett gegangen.
Am nächsten Morgen hatte seine Verärgerung ein wenig nachgelassen und war noch weiter abgeflaut, als er eine Botschaft von Sula bekommen hatte. Sie hatte die Worte mit präziser, klarer Handschrift auf ihrem Datenpad notiert und kein Video dazu aufgezeichnet. Vielleicht war es ihr peinlich, und sie wollte nicht, dass er sie noch einmal sah, sei es auch nur auf dem Bildschirm.
Es ist ganz allein meine Schuld, hatte sie geschrieben. Da ich im Augenblick keine angenehme Gesellschafterin bin, werde ich den Rest meines Urlaubs außerhalb der Hauptstadt verbringen und für die Prüfung lernen.
Nach ein paar weiteren Stunden hatte er sich so weit beruhigt, dass er ihre Botschaft beantworten und ebenfalls eine Nachricht kritzeln konnte. Es war ansteckend, so etwas handschriftlich zu machen. Er hatte ihr mitgeteilt, dass er sich darauf freuen würde, jederzeit mit ihr zu sprechen, wann immer sie Lust dazu verspürte.
Anscheinend hatte sie keine Lust, denn er hatte seitdem nichts mehr von ihr gehört. Glücklicherweise konnte er sich ein wenig mit Amanda Taen trösten, die er mittlerweile erfrischend unkompliziert fand.
Während des langen, langsamen Marschs entdeckte er keine Spur von Sula, aber das war auch nicht weiter verwunderlich. Alle Kadetten, Offiziere, Offiziersanwärter,
Unteroffiziere und Rekruten hatten zu dieser Stunde Dienst. Nur eine kleine Minderheit von ihnen war jedoch in der Hohen Stadt selbst eingesetzt. Auch die Legion befand sich in höchster Alarmbereitschaft, genau wie alle Polizeieinheiten und sogar die paar restlichen Angehörigen des Erkundungsdienstes. Alle öffentlichen Bereiche wurden bewacht, und an allen Skyhook-Terminals passte eine Abteilung bewaffneter Soldaten auf. Alle waren bereit und warteten auf … nun ja, auf irgendetwas.
Wie Martinez es sah, wusste niemand genau, was nach dem Tod des letzten Angehörigen jener Spezies geschehen sollte, die seit zehntausend Jahren mit Angst, Schrecken und ungebrochener Autorität regiert hatte. Viele prophezeiten Verzweiflung und Panik. Einige sprachen von Massenselbstmorden, Aufständen und Unruhen. Lordkommandeur Enderby und die anderen höheren Offiziere hatten die halbe Flotte ausgesandt, damit überall im Reich die Kriegsschiffe kurzfristig eingreifen konnten.
Martinez dagegen vermutete, dass wenig bis gar nichts geschehen würde. Sicher, man musste mit ein paar hysterischen Bürgern rechnen, die sich selbst umbringen wollten. Die meisten würden allerdings keinen Erfolg haben. Vielleicht würden ein paar Einzelne auch ausrasten, weil sie das Gefühl hatten, nach dem Tod des letzten Shaa wäre das Leben ein großer Jahrmarkt. Zweifellos gab es eigenartige Leute, aber die meisten, denen Martinez begegnete, schienen einfach nur abzuwarten. Sie waren
sich wie alle anderen noch nicht darüber im Klaren, was der Tod von Siegesgewissheit bedeutete.
Ihm fiel ein, dass er einmal im Foyer der Kommandantur gestanden und die
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