Dreamboys 01 - Tigerjunge
müssten. Da brach die nächste Tränenkatastrophe über uns herein! Sanjay beschwor uns, auch ihn mitzunehmen, denn er hatte keine Eltern mehr und betrachtete uns schon lange als Ersatzfamilie. Während er uns davon überzeugen wollte, dass wir ohne seine Kochkünste ganz bestimmt verhungern müssten, dachten Alain und ich daran, dass es für Tarun vielleicht nicht schlecht wäre, wenn ein junger Mann aus seinem Volk uns begleitete, der fließend Oriya sprach und so für Tarun eine Beziehung zu seinen Wurzeln herstellen konnte.
Dann ging alles sehr schnell. Wir buchten die Schiffspassage auf einem Kreuzfahrtschiff ab Mumbai für vier Personen, lösten am 28. Dezember das Camp auf und packten unsere Sachen in seefeste Kisten. Wehmütig blickten wir zurück auf unseren Bach und die idyllische Lichtung, die uns so lange Heimat und wundervolles Liebesnest gewesen war.
Den Geländewagen gaben wir bei der Reservatsverwaltung ab und nahmen einen Mietwagen. Nach rund vier Stunden Fahrzeit trafen wir im Seehafen Paradip ein. Am 30. Dezember stachen wir auf einem Frachtschiff in See.
Für Tarun waren diese hektischen Tage rasende Bilder, die in immer neuer Folge auf ihn einstürmten. Er verlor alles, was er kannte, er hatte nur noch uns beide und Sanjay. Doch er beklagte sich kein einziges Mal. Furchtlos ließ er sich durch die belebte Hafenstadt fahren, und furchtlos betrat er das beeindruckend große Frachtschiff. Tatsächlich war es so, dass eher Sanjay Angst zeigte.
Dann begann eine ruhigere Zeit, denn wir schipperten gemütlich um die Spitze des ganzen indischen Subkontinents herum bis nach Mumbai, wo wir in das Luxusschiff nach Hamburg umsteigen wollten.
Der Kohlefrachter, der nebenbei immer ein paar Passagiere beförderte, bot wenig Abwechslung. Für Tarun war gerade das gut, so konnte er wieder zur Ruhe kommen. Das Meer machte ihm keine Angst, selbst, wenn die Wellen im Golf von Bengalen einmal höher wurden.
Der grauhaarige Kapitän konnte nur noch auf einem Auge sehen und trug eine schwarze Klappe über dem anderen wie ein waschechter Pirat. Die übrigen Schiffsleute wirkten ebenfalls weder schön noch sonst irgendwie reizvoll. Also gab es auch von daher keine Unruhe.
Wir teilten die Tage genau ein, um eine gewisse Regelmäßigkeit für Tarun zu sichern. Nach dem Frühstück gab es Unterricht: Sprachen, etwas Rechnen und Geschichte sowie Geographie, Weltkunde sozusagen. Nach dem Mittagessen arbeiteten Alain und ich an unseren Protokollen und dem Text für unser Buch. Tarun bummelte dann mit Sanjay zusammen auf dem Schiff umher, lernte nebenbei Oriya und brachte Sanjay Deutsch bei. Die beiden verstanden sich sehr gut. Dadurch hatten Alain und ich zum Arbeiten etwas Ruhe in unserer Dreier-Kabine. Sanjay bewohnte eine Zweierkabine, denn Einzelkabinen gab es nicht auf dem Schiff.
Abends wurde in der Offiziersmesse – ein sehr vornehmer Ausdruck für den primitiven Speiseraum – das einfache »Dinner« gereicht, und danach schlüpften wir in die Kojen. Es war mit Tarun zusammen immer wieder neu und wunderschön. Er dachte sich oft kleine, besondere Zärtlichkeiten aus, mit denen er uns überraschte. Dann fuhr seine kleine, heiße Zunge plötzlich in meine Ohrmuschel, oder er knabberte und leckte so lange an Alains Nippeln, bis sie hart und prall wurden und Alain allein schon davon in hungrige Erregung geriet. Ich hatte das Gefühl, dass es zusammen mit Tarun und Alain auch in hundert Jahren niemals langweilig werden würde.
Zwölf Tage lang waren wir auf dem Frachter unterwegs. Am letzten Abend kam Tarun nicht in unsere Kabine, um uns zum Dinner abzuholen. Er wollte zwar keine Armbanduhr umbinden, hatte aber von Natur aus ein sehr gutes Zeitgefühl und war bisher immer pünktlich erschienen. Während Alain unsere Laptops verstaute, ging ich hinaus und suchte Tarun.
Früher hatte ich mich über meine Eltern lustig gemacht, wenn sie sich um uns Kinder gesorgt hatten, obwohl wir längst »groß« waren. Jetzt verstand ich sie. Viele Jahre lang hatte Tarun allein im Dschungel unter Tigern und Leoparden, Schlangen und Krokodilen überlebt – und ich hatte Angst um ihn, weil er auf einem überschaubaren Schiff einmal eine halbe Stunde zu spät kam.
Die Idee, zuerst in Sanjays Kabine nachzusehen, war vollkommen richtig. Ich wollte anklopfen, hielt jedoch inne, als ich durch die dünnwandige Tür ein Stöhnen hörte. Wenn mich nicht alles täuschte, handelte es sich um Luststöhnen! Allerlei wilde Gedanken von
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