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Dreamboys 01 - Tigerjunge

Dreamboys 01 - Tigerjunge

Titel: Dreamboys 01 - Tigerjunge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tilman Janus
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hatten. Während Tarun vor dem Rasierspiegel sein schwarzes Haar mit roten Blüten schmückte, überlegten Alain und ich hin und her, kamen aber immer wieder nur zu einem einzigen Ergebnis: Wir mussten fort. Selbst wenn eine andere Fakultät neue Gelder bewilligen sollte, würde das viel zu lange dauern.
    »Frag du ihn!«, sagte Alain schließlich kaum hörbar zu mir.
    Über Geld und dessen Wert hatte ich schon öfter mit Tarun gesprochen. Er schien zu verstehen, dass wir ganz ohne Forschungsgelder nicht in Indien bleiben konnten, als ich es ihm erklärte. Nun musste ich ihm die große, schwierige Frage stellen, vor der ich mich so fürchtete und die ich immer in die ferne Zukunft verschoben hatte. Ich zitterte innerlich vor Angst, Tarun zu verlieren, und Alains unruhiger, flackernder Blick sagte mir, dass es ihm genauso ging.
    Ich nahm Tarun in die Arme, und er umhalste mich liebevoll und küsste mich auf den Mund. Er war so arglos!
    »Tarun!«, sagte ich. »Du hast gehört, dass Alain und ich aus Indien fortmüssen. Du bist hier geboren, Orissa ist dein Heimatland. Du kannst jetzt sprechen, lesen und schreiben. Du könntest in Baripada eine Schule besuchen, das würden wir bezahlen, und dann kannst du einen Beruf lernen und ein ganz normales Leben führen. Was meinst du dazu?«
    Tarun sah mich so entsetzt an wie noch nie. Plötzlich stürzten Tränen aus seinen schönen Augen. Sein ganzer Körper wurde von einem Weinkrampf geschüttelt.
    »Tarun! Tarun! Bitte, weine nicht!«, riefen Alain und ich hilflos. Es war einfach schrecklich, ihn so aufgelöst zu sehen.
    Endlich klammerte er sich an uns, an uns beide zugleich, und schluchzte: »Ihr wollt mich hierlassen? Ihr wollt ohne mich weggehen? Warum? Habt ihr mich nicht mehr lieb?«
    Mir traten selbst Tränen in die Augen. Ich umfasste ihn ganz fest. »Wir haben dich sehr lieb, Tarun!«, sagte ich. »Gerade deshalb! Wir wollen dich nicht aus deiner gewohnten Umgebung herausreißen. Wir wollen, dass es dir gut geht!«
    Er riss sich von mir los und stemmte die Arme in die Hüften. Seine tränennassen Augen sprühten vor Zorn, wie ich es noch nie gesehen hatte. »Ihr wollt mich nicht haben! Ihr wollt mich loswerden! Ihr wollt wieder beide alleine sein!«
    Da mischte sich Alain zum Glück ein, denn ich war sprachlos angesichts dieser vollkommen irrwitzigen Anschuldigung.
    »Tarun, süßer Tarun!«, sagte er sanft und nahm unseren jungen Tiger fest in die Arme. »Wir wollen dich nicht loswerden, ganz sicher nicht! Wir beide lieben dich! Du bist für uns der liebste Mensch auf der Welt! Wenn du wirklich mitkommen willst nach Europa, wenn du unseretwegen die ganzen Schwierigkeiten auf dich nehmen willst, dann … dann machst du uns sehr, sehr glücklich.«
    Tarun beruhigte sich langsam. Er wischte sich die Tränen ab. Dann sah er mich an. »Stimmt das, was Alain sagt?«, fragte er vorsichtig.
    Ich umfasste ihn zusammen mit Alain und drückte beide fest an mich. »Ja!«, seufzte ich aus tiefster Überzeugung. »So, wie Alain es gesagt hat, ist es wahr und richtig. Ich glaube, ohne dich könnten Alain und ich gar nicht mehr wirklich glücklich sein.«
    Alain lächelte. »So, wie es Nick gesagt hat, ist es wahr und richtig! Und jetzt kommt endlich ins Bett, damit wir das mit Sperma besiegeln können!«
    Und genau das taten wir dann auch. Es wurde eine besonders schöne und zärtliche Nacht.

Lust an Bord
    Z um Glück waren Alain und ich trotz des mageren Universitätssalärs nicht völlig mittellos. Zwei E-Mails, am nächsten Morgen aus Baripada abgeschickt, genügten, um unsere wohlhabenden Eltern zu aktivieren. Am übernächsten Tag trudelte über Western Union genug Geld ein, dass wir uns eine gemütliche Schiffsreise leisten konnten. So würde Tarun sich schonender an das kalte Wetter und all die anderen fremden Dinge gewöhnen können, als wenn er mit einem Flugzeug in wenigen Stunden in den deutschen Winter hineinkatapultiert worden wäre. Wenn wir erst unser geplantes Buch über Tarun veröffentlicht hätten, könnten wir den Eltern das Geld zurückzahlen. Mit der Sorbonne war Alain jedenfalls fertig. Er musste natürlich noch die Forschungsergebnisse über die Tiger abliefern, aber danach wollte er mit den Leuten dort nichts mehr zu tun haben. Der Professorentitel war ihm erst einmal egal.
    Alain besorgte in Baripada für Tarun einen Pass mit Visum, was in einem Land wie Indien eigentlich nur eine Geldfrage ist. Dann teilten wir Sanjay mit, dass wir ihn leider entlassen

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