Drei Eichen (German Edition)
mit der rechten Hand den braunen Vorhang leicht zur Seite. Tatsächlich glaubte er draußen im Garten eine Bewegung wahrzunehmen. Schlich da etwa jemand um ihr Verbindungshaus?
Er kniff die Augen zusammen und öffnete den dünnen Vorhang noch etwas mehr, um besser sehen zu können. Plötzlich blieb er wie angewurzelt stehen, dann zersprang eine Sekunde später die alte Fensterscheibe mit einem hellen Klirren und ein schwarzer Pfeil durchdrang den Hals und die Luftröhre des Fuxmajors Rene Amann. Mit einem verzweifelten Gurgeln versuchte er sich am blanken Holz des Fensterrahmens abzustützen, doch der sinnlose Versuch wurde von einem weiteren Pfeil zunichtegemacht, der ihn von schräg unten mitten ins Herz traf. Verschwommen beobachtete er, wie die Gestalt mit dem Bogen nach hinten um das Haus aus seinem Sichtfeld verschwand, dann konnte er sich nicht mehr auf den Beinen halten und sank kraftlos zu Boden.
Die anderen waren aufgesprungen, standen wie erstarrt da, unfähig, sich zu bewegen. Als Werner Grosch sich endlich neben den Fuxmajor kniete, war dessen Schicksal bereits besiegelt. Blut breitete sich auf dem Holzboden des Paukraumes der Rhenania Bavaria aus, während das Leben unwiederbringlich aus Rene Amanns Körper wich.
Franziska Büchler warf den Bogen über die Mauer auf das Nachbargrundstück, dann kletterte sie behände hinterher und duckte sich. Schnell zerlegte sie ihren Bogen und packte ihn in ihren Rucksack zurück. Aus der Villa nebenan erklang bereits eine wilde Mischung aus aufgeregten Rufen und nervösem Geschrei. Sie hatte es vollbracht, jetzt konnte sie erst einmal untertauchen. Nur noch einer war übrig. Der letzte der vier Männer, die sie damals in dem Steinbruch in Ludvag gesehen hatte, doch auch ihn würde sie erwischen, daran zweifelte sie nicht. Er würde leiden und jeden Tag tausendmal über die Schulter schauen vor Angst, dass sie auf ihn lauerte. Und irgendwann würde sie ihn dann stellen. Irgendwann, wenn er am wenigsten damit rechnete. Dann endlich würde sie die Bestie endgültig aus ihrem Leben tilgen, die dunklen Archetypen ihrer Kindheit endlich in die Freiheit entlassen.
Sie hatte alles verstaut, den Rucksack auf den Rücken geschnallt und erhob sich, um ein letztes Mal einen kurzen Blick über die Mauer zu riskieren. Langsam schob sie ihren Kopf über die Mauerkante. In etwa fünf Meter Entfernung stand ein Mann in einer Jeans und einer dunklen Wildlederjacke und sah sie an. In der Hand hielt er eine Waffe. Eine Sekunde lang war sie wie gelähmt. Erst als der Mann blitzschnell die Waffe hob, duckte sie sich reflexartig wieder hinter die Mauer. In der gleichen Sekunde, als sie ein dumpfes Plopp hörte, knallte ein Projektil gegen die obere Mauerkante, über die sie gerade noch geklettert war. Nach einer weiteren Schrecksekunde fing sie endlich an gebückt zu rennen. Etwa zehn Meter an der Mauer entlang, dann links durch einen Holzzaun hindurch auf das sich anschließende Grundstück. Das Loch war nicht sehr groß, sie passte gerade so hindurch. Tagelang hatte sie an einem komplizierten Labyrinth gearbeitet, das sich über mehrere Grundstücke erstreckte, um ihr eine sichere Flucht zu ermöglichen.
Franziska Büchler rannte, erreichte den Holzzaun, nahm den Rucksack ab, warf ihn über den Zaun, zwängte sich selbst durch das enge Loch, griff sich noch in der Aufstehbewegung den Rucksack und warf ihn sich wieder auf den Rücken. Sie wusste instinktiv, dass der Mann hinter ihr her war, und lief weiter, so schnell sie konnte. Kurz bevor sie die nächste Ecke erreichte, an der es rechts um eine Steinmauer herum auf das nächste Grundstück ging, verspürte sie einen stechenden Schmerz an der Außenseite ihres linken Oberschenkels. Sie stöhnte leise auf, lief aber weiter. Kurz darauf traf sie ein Schlag in den Rücken und warf sie nach vorn. Mit einem kurzen Aufschrei ging sie zu Boden und kroch um die Ecke der Grundstücksmauer. Als nichts mehr passierte, robbte sie noch ein paar Meter an der Steinmauer entlang, richtete sich wieder auf und rannte trotz des Schmerzes in ihrem Oberschenkel zurück zu Claudia, die in der Dunkelheit in ihrem Wagen auf sie wartete.
»Wir müssen tanken«, sagte Lagerfeld lakonisch, als die Lichter der Stadt Coburg vor ihnen auftauchten. »Bis zu Suckfülls Adresse schaffen wir es keinesfalls, ich fahr schon seit vierzig Kilometern auf Reserve.«
Franz Haderlein fiel aus allen Wolken. »Das ist doch nicht dein Ernst, Bernd. Wieso hast du nicht
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