Drei Eichen (German Edition)
sollte der Quatsch? Langsam beschlich Lagerfeld das ungute Gefühl, veräppelt zu werden.
»Das sind Ultraschallaufnahmen, mein Schatz«, sagte Ute von Heesen schließlich, als sie seine größer werdende Ungeduld bemerkte, und atmete tief durch.
Doch Lagerfeld marschierte gedanklich noch immer in die falsche Richtung. Ultraschallaufnahmen? Er überlegte krampfhaft. Er meinte, so etwas schon bei Achsuntersuchungen für den ICE gehört zu haben. Gab’s das womöglich auch für Häuser? Er kapierte nur Bahnhof.
»Stimmt vielleicht etwas mit unseren Wänden nicht? Seit wann braucht man für ein Mühlrad eine Ultraschalluntersuchung?« Bernd Schmitt stand völlig auf dem Schlauch, was ihm selbst auf- und missfiel. Nur Ute schien sich gut zu amüsieren.
»Nicht die Wände unseres Hauses sind untersucht worden, sondern die meiner Gebärmutter. Das da sind Ultraschallbilder von unserem Kind. Ich bin schwanger, Bernd«, ließ sie endgültig die Katze aus dem Sack. Sie hatte ihm die Neuigkeit so nüchtern präsentiert, als hätte sie die Nachricht erhalten, dass ein bestelltes Sofa pünktlich nächste Woche geliefert werden würde. Da sie ihren Bernd inzwischen kannte, wusste sie, wie man ihm Nachrichten von solcher oder ähnlicher Tragweite nahebringen musste. Nämlich nicht schonend über Umwege, sondern genau so. Da musste er jetzt durch, ob er wollte oder nicht. Auch für sie war dieser Befund überraschend gewesen, sodass sie zuerst einmal ganz allein damit hatte fertig werden müssen.
Lagerfeld seinerseits hatte den Eindruck, die Welt um ihn herum hätte sich verlangsamt und wäre plötzlich teigig und schwer. Der Terminus »Kind« bewegte sich groß und deutlich durch seine Gedanken wie ein Gast, den er nicht eingeladen hatte, und er sah sich außerstande, ihm einen Sitzplatz anzubieten. Denn eins war immerhin klar: Würde dieser Besuch sich setzen, so würde er für immer bleiben, und das durfte keinesfalls geschehen. Es musste Auswege geben, irgendwelche.
»Das kann nicht sein. Das ist doch völlig unmöglich«, stieß er bockig hervor, während er mit der rechten Hand zitternd nach seinem Kaffee fingerte.
Ute von Heesen hatte die Reaktion ihres geliebten Lebensgefährten vorhergesehen, doch gefallen tat sie ihr trotzdem nicht. »O Mann, Bernd«, sagte sie etwas strenger, »natürlich kann das sein. Meinst du, ich hab nur Blähungen und bin deshalb so aufgegangen?«
»Aber ich hab doch überhaupt nichts gemacht!«, widersprach Lagerfeld. Er befand sich nun sichtlich in emotionaler Auflösung. »Also, ich meine, fast nichts«, schob er noch schnell hinterher, als er die in Frage kommenden Nächte Revue passieren ließ.
Ute von Heesen schaute ihn stumm an. Sie hatte es kommen sehen. Genau so würde er reagieren, der Knilch. Der Typ verhielt sich manchmal wie ein Zwölfjähriger. Nichts gemacht, tststs. Langsam wurde sie nun doch ärgerlich. »Willst du etwa einen Gen-Test machen lassen?«, fragte sie spitz. Ihr Blick wanderte in ihre Kaffeetasse, ihre Hände legten sich erneut um das warme Porzellan. »Vielleicht ist ja jemand anderes der Vater.«
Das saß. Lagerfelds Verantwortungsgefühl erwachte, endlich machte es Klick. Vater? Ach so, Vater. Babygeschrei, durchwachte Nächte, Fläschchen, Kinderwagen und volle Windeln. Jetzt erst wurden ihm die Konsequenzen der Mitteilung in ihrer ganzen epischen Breite bewusst. Er erhob sich, packte seinen Stuhl an der Lehne, ging mit ihm um den gemeinsamen Esstisch herum, stellte ihn direkt vor seiner Ute ab und setzte sich. Noch ein letztes Mal atmete er tief durch, dann schaute er ihr fest in die Augen.
»Und du machst hier keinen blöden Witz, oder? Ich meine, vielleicht bist du einfach nur schlecht drauf, hormonelle Schwankungen und so?« Dann hatte er einen Gedankenblitz. Ein Strohhalm, ein dünnes Seil in die Freiheit, welches von der hohen Mauer der lebenslänglichen elterlichen Verdammnis zu ihm herunterhing. »Ich bin sicher, du hast einfach nur deine Periode. Das wird schon wieder.« Er tätschelte ihr aufmunternd die Wange, und Ute von Heesen war für einen kurzen Moment geneigt, den heißen Inhalt ihrer Tasse diesem Idioten da vor ihr ohne Vorwarnung in den noch zu öffnenden Hosenstall zu schütten.
Stattdessen riss sie sich zusammen und verzog ihren Mund zu einem schiefen Grinsen. »Ich kann dir versichern, geliebter Bernd, dass ich auf absehbare Zeit keine Periode mehr haben werde, wenn dir das ein Trost ist. Und wenn du jetzt nicht bald mit diesem
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