Drei Eichen (German Edition)
dreitausend Mark über die Theke geschoben und gefragt, ob er mit ihm Geschäfte machen wolle. Natürlich hatte er Ja gesagt. Sein Laden existierte gerade mal ein halbes Jahr, und die Verkaufszahlen waren noch weit unter dem, was er sich vorgestellt hatte. Allerdings hatte er gleich klargestellt, dass er nichts Illegales tun würde, doch das hatten Joe und seine Kumpels auch nie von ihm verlangt. Sie wollten einfach nur das Beste vom Besten, keine Rechnung, und wenn Postler jemand fragen sollte, waren sie nie in seinem Laden gewesen. Mit diesem Deal konnte er gut leben. Vor allem, wenn ein Verkaufstermin in seinem Hinterzimmer so viel Gewinn einbrachte wie der gesamte Juni.
»Hast du unsere Sachen?«, fragte Joe.
Stefan Postler nickte. Natürlich hatte er alles. Die Ware hatte er aus dem gesamten europäischen Ausland, etliche Artikel sogar aus Übersee liefern lassen. Sie waren gerade noch rechtzeitig eingetroffen. Teilweise war das Zeug auf Umwegen über Südostasien gekommen, das kostete schon seine Zeit. Und trotzdem hatte er es geschafft, alles zu besorgen, sogar die Spezialanfertigungen aus Magnesium aus Südkorea hatte er gekriegt. Was waren die Verhandlungen mit der Manufaktur vor Ort für ein Affentanz gewesen! Wer in Bamberg konnte schon Koreanisch? Über seine Kontakte zu den Ami-Kasernen nicht weit von seinem Laden hatte er schließlich einen GI gefunden, dessen Eltern aus Korea stammten. Irgendwie ging schon immer alles, manchmal musste man eben improvisieren. Hauptsache, Joe war zufrieden.
So richtig konnte er den Mann noch immer nicht einordnen. Joe war Deutscher, sprach ab und zu ganz bewusst oberfränkischen Dialekt. Das war aber dann auch schon alles, was Postler sicher über ihn sagen konnte. Mit den anderen redete er nur Englisch. Völlig akzentfrei, soweit Postler das einschätzen konnte. Die konnten von weiß Gott woher stammen. Allerdings wurde Postler, wenn Joe mit seinen zwei Männern bei ihm auftauchte, nie dieses komische Gefühl los. Der E-Mail-Verkehr und die Telefonate verliefen reibungslos, aber bei den persönlichen Zusammentreffen, wenn Joe ihn anlächelte, gab es immer wieder diesen kurzen Augenblick, der ihn schaudern ließ. Nachvollziehbare Gründe dafür gab es keine, also verdrängte er das ungute Gefühl jedes Mal. Schließlich wurde er nicht für Gefühle bezahlt, sondern dafür, dass er alles besorgte, was Joe wollte.
Der Job war einfach zu gut bezahlt, als dass er sich mit unbegründeten Gefühlsregungen aufhalten konnte. Wenn er ehrlich war, er wollte auch gar nicht wissen, was diese Typen mit dem Zeug vorhatten.
Nach der Sichtung der Ware wurde alles in schwarze Kunststofftaschen aus reißfestem Cordura verpackt, die er in einer Schweizer Firma extra für diesen Zweck hatte anfertigen lassen. Anschließend nickten ihm die Männer zufrieden zu, und Joe gab ihm einen dicken Umschlag. »Passt so.« Und Stefan Postler war absolut sicher, dass es passte. Bis jetzt hatte es noch immer gepasst. Zum Abschluss öffnete er ihnen den Hinterausgang, und die drei Männer mit den Baseballkappen und den teuren Sonnenbrillen verschwanden ohne weitere Förmlichkeiten. Dann bis zum nächsten Jahr, dachte sich Postler erleichtert, atmete durch und schloss zufrieden die Tür.
Als Lagerfeld wieder in der Dienststelle eintraf, hätte er auf Nachfrage niemandem erklären können, mit welchem Fortbewegungsmittel und auf welchem Weg er das bewerkstelligt hatte. Sein Gehirn hatte die Fahrt im Unterbewusstsein erledigt. Erst als er seinen Honda auf dem Dienstparkplatz abgestellt und die Zündung des Cabrio abgetötet hatte, schaltete er wieder in den Realitätsmodus. Während der Strecke von Loffeld bis hierher waren seine Gedanken Amok gelaufen: Zukunftsangst, jungväterliche Panikattacken und manchmal auch Stolz auf die Tatsache, dass er es geschafft hatte, ein Kind zu zeugen, hatten ihn abwechselnd heimgesucht.
Als er seinen Platz im Büro erreichte, ließ er sich erleichtert in seinen Drehsessel fallen. Jetzt würde er es sich erst einmal in aller Ruhe an seinem Schreibtisch bequem machen, um diesen fürchterlichen Tag –
»Sag mal, Bernd, bist du noch ganz dicht?« Honeypenny blickte ihn mit vor Zorn gerötetem Gesicht an. »Stimmt es, dass du Riemenschneider im Auto von Franz eingesperrt hast?« Ihre Halsadern schwollen an, was ihrer an sich schon recht üppigen Erscheinung etwas drohend Wagnerianerisches verlieh.
Mit einer solchen Walküre auf dem Kriegspfad war nicht zu spaßen.
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