Drei Eichen (German Edition)
Kellerbier-Apfelschorle-Mischung, was die anderen Kellerbesucher zu allerlei erheiterten Blicken und Sprüchen animierte.
An Lagerfeld ging das alles konsequent vorbei. Er war vollends mit gedanklicher Müllbeseitigung bezüglich der Beendigung seines bisherigen Lebensabschnittes als Nichtvater beschäftigt. Leider nur kehrte dieser Gedankenmüll ständig wieder, auch wenn er ihn zum x-ten Mal über die ausgefransten Ränder seiner Seele gekippt hatte.
Auf Haderleins Frage nahm er erst einmal einen tiefen Zug aus seinem Seidla, stellte dieses anschließend mit einem Seufzer ab und schaute dem älteren Kollegen dann so verzweifelt in die Augen, wie er nur konnte. »Ich werd Papa, Franz«, würgte er schließlich die für ihn so unangenehme Wahrheit heraus.
Für Franz Haderlein hatte es den Anschein, als würde sein junger Kollege, einem Kormoran ähnlich, einen Fisch, den er für seine Brut gefangen hatte, nun mühsam wieder ausspeien. Er sah so komisch aus, dass Haderlein herzlich lachen musste. »Aber, Bernd, das ist doch kein Grund, um so ein Gesicht zu machen, also wirklich. Das musste doch irgendwann bei euch so kommen. Herzlichen Glückwunsch! Und davon geht die Welt auch nicht unter, ganz im Gegenteil. Wenn du dich erst einmal mit dem Gedanken angefreundet hast, du ewiger Single, dann wirst du merken, was für ein schönes Gefühl es ist, Vater zu werden.« Aufmunternd patschte er Lagerfeld mit der Hand auf die Schulter. »Ich freu mich für euch zwei, Mensch!«
Doch Lagerfeld machte keine Anstalten, sich mitzufreuen, sondern ergab sich lieber dem eigenen Selbstmitleid und nuckelte an seiner Halben. Haderlein konnte es nicht glauben. Was war bloß mit diesem Kerl los? Dann kam ihm plötzlich ein fataler Gedanke, eine Eingebung, die ihm überhaupt nicht gefallen würde, träfe sie denn zu. Hatte der liebe Bernd etwa Mist gebaut und sich im Zuge des eigenen Hormonabbaus an einer anderen Frau vergriffen? »Ähm, Bernd, ich gehe doch richtig in der Annahme, dass Ute die Mutter der Leibesfrucht ist?«, frage er sehr viel leiser nach. »Wenn nämlich nicht, dann würde ich an deiner Stelle jetzt noch sehr, sehr viel mehr Bier trinken, Freundchen. Dann hast du nämlich ein richtiges Problem am Hals.«
Besorgt schaute er Lagerfeld zu, wie dieser seinen Krug wieder abstellte und jetzt seinerseits das Lachen begann. »Mensch, Franz, du bist wirklich ein echter Kumpel, oder? Das traust du mir zu? Deine Fürsorge rührt mich wirklich, aber ich kann dich beruhigen. Ute ist die Mama von dem Kind und ich der Papa, zumindest sagt Ute das. Und man kann über sie denken, was man will, aber in solchen Dingen ist sie korrekter als ein Notar.« Er hatte sich wieder gefangen und stellte müde grinsend den Krug neben den seines älteren Kollegen. »Ich weiß sogar, wann und wo es passiert ist. Ein echtes Baustellenkind. Nee, ich bin ganz bestimmt derjenige, welcher, Franz.«
Haderlein lehnte sich erleichtert zurück. Wenigstens die Mindestanforderung an ein weiteres gedeihliches Zusammenleben zwischen den beiden war somit gegeben. Das war immerhin ein Anfang, denn jeder konnte eigentlich sehen, dass Ute und Bernd nicht gerade die idealtypischen Voraussetzungen für eine lang anhaltende Beziehungsgemeinschaft erfüllen. Unterschiedlicher konnten zwei Menschen kaum sein.
Ute von Heesen, die korrekte, kühle, ordentliche Blonde aus dem hohen Norden, die manchmal den Eindruck machte, als würde sie ihr Leben in saubere Quadrate einteilen und diese nacheinander peinlich genau aufeinanderstapeln. Das gab ihr Sicherheit, so konnte sie planen, und ohne Planung lief bei ihr überhaupt nichts. Die Leiterin der Revisionsabteilung der HUK Coburg war nicht gerade die Kuh, die sich auf unbekanntes, womöglich noch dünnes Eis hinauswagte. Nein, Ute von Heesen wäre es eigentlich am liebsten gewesen, sie könnte schon heute den detaillierten Tagesablauf bis zu ihrem genau terminierten Lebensende wissen. Ja, das hätte ihr bestimmt sehr gefallen. Das hieß allerdings beileibe nicht, dass sie ein langweiliger oder gar unwitziger Mensch wäre, nein, es ging ihr lediglich um den Aspekt der vorausschauenden Sicherheit. Das brauchte sie einfach.
Lagerfeld war das genaue Gegenteil davon. Der leidenschaftliche Lebemann organisierte seinen Tagesablauf schon gern einmal spontan und ließ die Dinge auf sich zukommen. Er war ein klassischer Sanguiniker mit entsprechend lässig lockerer Lebenseinstellung, und mit Beziehungen war er bis dato ebenso
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