Drei Frauen und los: Roman (German Edition)
Warum geht es nie um mich?«
»Es geht ständig um dich.«
»Ich stehle nicht mehr.«
»Natürlich stiehlst du noch. Das geht nicht so einfach weg.«
»Warum nicht?«
»Das ist ein Zwang.«
»Deiner ist auch weggegangen.«
»Er ist nicht weg. Er ist immer da. Und Alkoholismus ist kein Zwang. Ich glaube nicht. Ich bin mir nicht sicher. Es ist jedenfalls nicht dasselbe.«
»Aber du trinkst nicht mehr.« Tracee wehrt sich, sie will sich nicht geschlagen geben, so wie sonst immer, wenn Lana mit ihr diskutiert. »Warum kannst du mit deinem Zwang aufhören, aber ich nicht mit meinem?«
»Darüber diskutiere ich nicht. Hör zu, im Moment bist du sicher.« Lana macht den Kühlschrank auf, entdeckt einen Pfirsich und isst ihn mit schnellen Bissen, wie ein Eichhörnchen. »Lass mir Zeit, eine Lösung zu finden.«
Ganz langsam macht Tracee die Tür auf. Sie zuckt zusammen, als sie den Knauf dreht, hofft, dass er kein Geräusch macht.
»Was tust du da?«
Tracee legt ihr Auge an den Spalt. Sie muss Tims Gesicht sehen, auf einmal vermisst sie ihn ganz schrecklich. Sie braucht seine Vergebung, auch wenn er noch nicht einmal von dem Verbrechen weiß. Aber sie sieht nur Marcels großen Kopf, seine eindringlich starrenden Augen. Wen starrt er an? Sie schaut ein Stück zur Seite. Ist das Tucker? In seiner Uniform? Tucker mit einem anderen Mann, einem älteren, der ihr den Rücken zuwendet. Wer ist das? Vielleicht der Polizeichef? Vielleicht ein Zivilpolizist aus dem Norden, etwa aus Maryland?
Tracee weicht zurück.
»Was denn?«, fragt Lana.
Tracee fehlen die Worte, aber dann findet sie doch eines. »Polizei.«
Lana schiebt sie beiseite und beugt sich vor, um selbst zu nachzuschauen. »Das muss nicht wegen uns sein.«
»Tracee, komm raus!«, ruft Clayton. »Du auch, Lana. Tucker will mit euch reden.«
42
Lana und Tracee stürmen zur Hintertür hinaus. Tracee wedelt mit den Armen, sie weiß nicht, wohin sie sich wenden soll, und bleibt einen Augenblick stehen, ehe sie Lana nachläuft, die wie vom Teufel gejagt über den Parkplatz rennt.
Sie reißt ihre neue Autotür auf, schlüpft auf den Fahrersitz, steckt schnell den Schlüssel hinein und startet. Dann wartet sie, bis Tracee in den Wagen gesprungen ist.
Lana rast die Straße zum Tulip Tree Motel hinunter, nimmt Kurven und Ecken wie ein Rennfahrer – die Mittagssonne, die auf die Windschutzscheibe brennt, zwingt sie dazu, ständig zu blinzeln und hin und her zu rutschen. Unterdessen hat sich Tracee im Sitz umgedreht und hält den Blick unverwandt nach hinten gerichtet. Sie erwartet, jeden Moment ein schwarz-weißes Auto auftauchen zu sehen, mit heulender Sirene und einem wirbelnden roten Licht. »Nichts, noch immer nichts«, kreischt sie, ein angstvoller, atemloser Kommentar.
Endlich rennen sie die Treppe hinauf.
»Wo ist es? In unserem Zimmer oder bei Tim?«
»Bei uns«, sagt Tracee. Sie stolpert über ein dickes Stück abgeblätterter Farbe, stößt sich den Zeh an und hüpft weiter, um Lana einzuholen, die ihren Schlüssel nicht finden kann. Lana leert ihre Handtasche auf dem Betonboden aus, entdeckt den Schlüssel, gibt ihn Tracee und stopft alles wieder hinein, während Tracee die Tür aufschließt. Lana schiebt sie ins Zimmer, macht die Tür zu und hält hinter den Jalousien Ausschau. Unterdessen wühlt Tracee in der Schublade des Schreibtisches und zieht die Halskette heraus.
»Lass mich sehen.« Lana streckt die flache Hand aus.
Mit zwei Fingern hebt Tracee ein Ende der zarten Kette in die Höhe, lässt das Halsband aushängen und senkt es dann auf Lanas Handfläche.
Lana spielt mit der Halskette, formt sie zu schlangenartigen Mustern, beobachtet, wie die Steine das Licht einfangen. Ihr leicht rosafarbenes Glitzern verrät, dass sie echt sind. Selbst die Kettenglieder versetzen Lana in Erstaunen. Es sind nicht die hellgelben drahtigen, ausgestanzten Schlingen von Modeschmuck, sondern jedes winzige Glied ist ein bisschen unregelmäßig. Von Hand geformte, gedrehte Bänder aus poliertem Gold. Diese kleine Halskette strahlt so viel Kraft aus, dass sie Lana regelrecht aus der Wirklichkeit reißt. Sie hält die Zeit an. Lana schaut auf und fängt Tracees Blick ein, sie sind sich einig in ihrem Bekennt nis zu diesem illegitimen Genuss. Ein Objekt von so simpler Schönheit und von so großem Wert steht ihnen beiden nicht zu.
»Ich muss sie anprobieren«, sagt Lana mit heiserem Flüstern.
Sie steht vor dem Spiegel, Tracee befestigt die Schließe, die für
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