Drei Hände Im Brunnen
frei von verwesten Teilen toter Mitbürger halten konnte. Die Tatsache, dass wir angegeben hatten, wir seien Ermittler, war auch nicht eben hilfreich. Vermutlich.
Uns wurde erlaubt, eine Petition aufzusetzen, in der wir unserer Besorgnis Ausdruck gaben, obwohl ein ehrlicher Schreiber, der einen Blick darauf warf, uns sagte, dass der Kurator das nicht würde wissen wollen. Letzteres war keine Vermutung, sondern eine Feststellung.
Als Einziges blieb noch, sich an seinen Vorgesetzten zu wenden. Mir liegt diese Art von Taktik nicht. Außerdem kannte ich niemanden in so wichtiger Stellung, der es für mich hätte tun können. Also schied auch das aus.
Trotzdem erwog ich die Möglichkeiten. Petro wurde wütend und behandelte die ganze Sache so, als würde sie stinken; er wollte nur was trinken gehen. Aber ich sehe die Dinge gerne in ihrer historischen Perspektive. Die Wasserversorgung war eine lebenswichtige Staatsangelegenheit, und das schon seit Jahrhunderten. Die dazugehörige Bürokratie war ein kunstvolles Geflecht, dessen schwarze Tentakel bis in höchste Kreise hinaufreichten. Wie alles in Rom, in das er seine Nase stecken konnte, hatte Kaiser Augustus auch dafür spezielle Vorgehensweisen ersonnen – angeblich, um für klare Aufsichtsfunktionen zu sorgen, aber vor allem, um informiert zu bleiben.
Ich wusste, dass es eine Kommission für die Aquädukte gab, die aus drei Senatoren im Rang eines Konsuls bestand. Während der Ausübung ihres Dienstes für die Kommission war jeder von ihnen dazu berechtigt, zwei Liktoren vor sich herschreiten zu lassen. Außerdem hatten sie ein beeindruckendes Gefolge, bestehend aus drei Sklaven, die die Taschentücher trugen, einem Sekretär und einem Architekten plus einem großen Stab mehr nebulöser Beamter. Die Rationen und Bezahlung des Stabs wurden von der öffentlichen Hand getragen, und die Kommissionäre konnten sich Büromaterial und andere brauchbare Versorgungsgüter beschaffen lassen, wovon sie zweifellos einen Teil zum Privatgebrauch mit nach Hause nahmen, wie es Tradition war.
Diese ehrwürdigen alten Käuze standen im Dienstrang eindeutig über dem Kurator. Auch nur einen von ihnen für unsere Geschichte zu interessieren hätte als Hebel unter dem Hintern des Kurators dienen können. Leider aber hatten die drei Konsularkommissionäre gleichzeitig noch andere interessante öffentliche Posten inne, wie die Statthalterschaft ausländischer Provinzen. Das war durchaus machbar, da sich die Kommission nur drei Monate im Jahr zur Inspektion der Aquädukte traf – und der August war keiner dieser Monate.
Wir hingen fest. Was nichts Ungewöhnliches war. Ich gab zu, dass Petronius von Anfang an Recht gehabt hatte. Wir besänftigten unsere verletzten Gefühle auf traditionelle Weise – mit einem Mittagessen in einer Weinschenke.
Leicht schwankend führte mich Petronius Longus später zu dem besten Ort, den er kannte, um einen Rausch auszuschlafen. Sein altes Wachlokal. Von Fusculus war heute nichts zu sehen. »Hat sich frei genommen, um sein Tantchen zu besuchen, Chef«, sagte Sergius.
Sergius war der Vollstreckungsbeamte der Vierten Kohorte – groß, perfekt gebaut, stets voller Tatendrang und erstaunlich gut aussehend. Er saß draußen auf der Bank, ließ die Peitsche schnalzen und machte Ameisen platt. Seine Zielgenauigkeit war mörderisch. Muskeln kräuselten sich aggressiv unter seiner braunen Tunika. Ein breiter Gürtel war eng um seinen flachen Bauch geschnallt und betonte seine schmale Taille und die wohlgeformte Brust. Sergius kümmerte sich um seinen Körper. Er kümmerte sich auch um Schwierigkeiten. Kein Unruhestifter aus der Nachbarschaft, mit dem sich Sergius näher beschäftigt hatte, würde es wagen, sein Vergehen zu wiederholen. Zumindest hinterließ sein langes gebräuntes Gesicht mit der scharfen Nase und den blitzenden Zähnen eine ästhetische Erinnerung bei den Verbrechern, bevor sie unter den Liebkosungen seiner Peitsche ohnmächtig wurden. Von Sergius verprügelt zu werden kam der Teilnahme an einer hochrangigen Kunstform gleich.
»Welche Tante?«, spottete Petro.
»Die, zu der er immer geht, wenn er einen freien Tag braucht.« Die Vigiles waren Experten darin, irrsinnige Zahnschmerzen zu bekommen oder plötzlich zur Beerdigung eines nahen Verwandten zu müssen, den sie angeblich heiß geliebt hatten. Ihre Arbeit war schwer, schlecht bezahlt und gefährlich. Sich Ausreden einfallen zu lassen, um
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