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Drei Kameraden

Drei Kameraden

Titel: Drei Kameraden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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von grauen Granitsäulen gestützt wurden und einen Garten einrahmten. In der Mitte erhob sich ein großes, verwittertes Kreuz mit der Figur Christi. An den Seiten waren steinerne Reliefbilder der Stationen des schmerzhaften Rosenkranzes aufgestellt. Vor jedem Bilde befand sich eine alte Betbank. Der Garten war verwildert und blühte über und über.
     Gottfried zeigte auf ein paar mächtige weiße und rote Rosenbüsche. »Das wollte ich dir zeigen! Erkennst du sie wieder?«
     Überrascht blieb ich stehen. »Natürlich erkenne ich sie wieder«, sagte ich. »Also hier hast du geerntet, du alter Kirchenräuber!«
     Pat war vor einer Woche zu Frau Zalewski umgezogen, und Lenz hatte ihr abends durch Jupp einen riesigen Strauß Rosen geschickt. Es war eine solche Menge gewesen, daß Jupp zweimal herunter mußte und jedesmal mit beiden Armen voll wiederkam. Ich hatte mir schon den Kopf zerbrochen, wo Gottfried sie nur herhaben mochte, denn ich kannte sein Prinzip, Blumen niemals zu kaufen. In den städtischen Anlagen hatte ich sie nie gesehen.
     »Das ist eine Idee!« sagte ich anerkennend. »Darauf soll
    ein Mensch kommen!«
     Gottfried schmunzelte. »Der Garten hier ist eine wahre Goldgrube!« Er legte mir feierlich die Hand auf die Schulter. »Hiermit nehme ich dich als Teilhaber auf! Denke, du kannst es gerade jetzt gut gebrauchen!«
     »Wieso gerade jetzt?« fragte ich.
     »Weil die städtischen Anlagen augenblicklich ziemlich kahl sind. Und die waren ja wohl bisher deine einzige Weide, was?«
     Ich nickte.
     »Außerdem«, erklärte Gottfried weiter, »kommst du jetzt in die Zeit, wo sich der Unterschied zwischen einem Bourgeois und einem Kavalier zeigt. Der Bourgeois wird immer unaufmerksamer, je länger er eine Frau kennt. Der Kavalier immer aufmerksamer.« Er machte eine weitläufige Handbewegung. »Hiermit kannst du ein geradezu erschütternder Kavalier werden!«
     Ich lachte. »Alles ganz gut, Gottfried«, sagte ich. »Aber wie ist das, wenn man erwischt wird? Man kann hier schlecht ausreißen, und fromme Leute bezeichnen so was leicht als Schändung heiliger Stätten.«
     »Mein lieber Junge«, erwiderte Lenz, »siehst du hier jemand? Seit dem Kriege gehen die Leute in politische Versammlungen, aber nicht in die Kirche.«
     Das war richtig. »Aber wie ist es mit den Pastoren?« fragte ich.
     »Den Pastoren sind die Blumen egal, sonst wäre der Garten besser gepflegt. Und der liebe Gott hat höchstens seinen Spaß dran, wenn du jemand damit eine Freude machst. Der ist gar nicht so.«
     »Da hast du recht!« Ich betrachtete die riesigen alten Büsche. »Für die nächsten Wochen habe ich damit ausgesorgt, Gottfried.«
     »Länger. Du hast Glück. Es ist eine sehr dauerhafte, lange blühende Rosensorte. Du reichst damit mindestens bis September. Und von da an gibt es hier dann Astern und Chrysanthemen. Komm, ich zeige sie dir auch gleich.«
     Wir gingen durch den Garten. Die Rosen dufteten betäubend. Wie eine summende Wolke flogen Bienenschwärme von Blüte zu Blüte.
     »Sieh dir das an«, sagte ich und blieb stehen. »Wo mögen die nur herkommen? Mitten in der Stadt? Hier gibt es in der Nähe doch gar keine Bienenkörbe. Oder glaubst du, daß die Pastoren welche auf ihren Dächern stehen haben?«
     »Nein, Bruder«, erwiderte Lenz. »Die kommen todsicher von irgendeinem Bauernhof. Sie kennen nur eben ihren Weg.« Er zwinkerte mit den Augen. »Wir nicht, was?«
     Ich hob die Schultern.
     »Vielleicht doch. Wenigstens ein kleines Stück. Soweit man es eben kann. Du nicht?«
     »Nein. Will's auch gar nicht wissen. Ziele machen das Leben bürgerlich.«
     Ich blickte zum Domturm hinauf. Seidengrün stand er vor dem blauen Himmel, unendlich alt und ruhig, von Schwalben umflogen.
     »Wie still es hier ist«, sagte ich.
     Lenz nickte. »Ja, mein Alter, hier merkt man, daß einem eigentlich nur Zeit gefehlt hat, um ein guter Mensch zu werden, was?«
    »Zeit und Ruhe«, erwiderte ich. »Ruhe auch.«
     Er lachte. »Zu spät! Jetzt ist es schon so weit, daß man die Ruhe nicht mehr aushaken könnte. Also los! Wieder hinein in den Radau!«

     Ich setzte Gottfried ab und fuhr zum Stand zurück. Unterwegs kam ich am Friedhof vorbei. Ich wußte, daß Pat jetzt in ihrem Liegestuhl auf dem Balkon lag, und hupte ein paarmal. Aber es zeigte sich nichts, und ich fuhr weiter. Dafür sah ich ein Stück weiter Frau Hasse in einer Art taftseidenem Umhang die Straße entlangrudern und um die Ecke verschwinden.

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