Drei Tage voller Leidenschaft
ihre Vorstellungskraft hinaus. Nikki schlug als nächstes vor, ihren Mann in einem Duell zu töten. Wiederum war sie entsetzt über die rohe, leidenschaftliche Natur ihres jungen Geliebten. Tränen traten ihr in die Augen und fielen auf ihre verschlungenen Hände.
Vor allem durfte ihre Liebe nicht untergehen, sagte er. Kein Risiko sei zu hoch. Er versprach ihr wild alles, was sie wollte, und wartete auf ihre Antwort.
Aber es war unmöglich. Ihr ganzes Leben lang hatte Soronina fraglos das Diktat der Etikette und das Protokoll der exklusiven Petersburger Gesellschaft akzeptiert und wollte sich ebensowenig überlegen, sich von diesen bequemen Einschränkungen zu lösen, wie sie bedenken würde, Kunstreiterin im Zirkus zu werden. Sie versuchte Nikki zu erklären, daß man zu tun hatte, was die Klasse von einem erwartete, die Notwendigkeit von gesellschaftlichen Konventionen und daß man als Vorbild dienen mußte.
Selbst in seinen jungen Jahren war Nikki schon ausreichend der Sohn seines Vaters, um sein gutgeschnittenes Kinn vorzuschieben. Als er sich verächtlich aufrichtete und ihr kalt entgegenspuckte, ihm weitere alberne Platitüden zu ersparen, brach Soronina vor Kummer das Herz. Das Herz des Jungen öffnete sich voll Sehnsucht, sie zu trösten, aber er konnte ihr nicht geben, was sie brauchte: Sicherheit – bequeme, gemütliche, luxuriöse Sicherheit. Sie weinte heftiger, als die Tür aufgerissen und Nikkis Vater und seine Diener den jungen Prinzen Kuzan wieder fortrissen. Sie weinte bitterlich und flüsterte: »Ich werde nie wieder die alte sein.«
Der junge Prinz war auch nie mehr derselbe. Alle Fetzen von romantischer Illusion, von Idealismus und naivem Glauben an das Glück, die zu behalten ihm in der brüchigen Gesellschaft, in der er verkehrte, gelungen war, wurden in dieser Nacht hinweggespült und schließlich in den nächsten beiden Jahren, die er in Europa verbrachte, völlig ausgemerzt.
Prinz Michail ging kein Risiko ein, sein einziges Kind an eine Duellpistole zu verlieren, die irgendein zorniger Ehemann auf es richtete. Er hatte Nikki entführt, um ihn zu retten. Und nach seiner Konfrontation mit Soronina war Nikki unglücklich, desillusioniert und konnte anschließend überzeugt werden, sich weit fort von Petersburg aufzuhalten.
»Du wirst sie vergessen, mein Sohn«, hatte sein Vater gesagt, und teilweise behielt er recht. Als er abgereist war, gab es nichts mehr, was er nicht ausprobierte. Jegliche Moral, niemals eine seiner Hauptsorgen, war aus seinen Gedanken verschwunden. Ungezügelte, fiebrige Aktivitäten herrschten nun vor. Die Verfolgung dieses wild zerstreuten Lebens diente dazu, seine einstigen romantischen Erinnerungen zu verdecken, aber nicht ohne den Preis der Selbstqual.
Zwei Jahre später kehrte ein klügerer, zynischerer junger Mann nach Petersburg zurück: kühl, elegant, stets auf der Hut. Er nahm seinen Platz in der Gesellschaft ein und konnte nie wieder überredet werden, sich einer Konfrontation zu entziehen. Er war in der Tat aufbrausend und provokativ in höchstem Ausmaß, was ihn nach dem fünften Duell in ebenso vielen Jahren fast berüchtigt machte. Nikki gelang es sogar, Gräfin Plentikow in der Öffentlichkeit zu begegnen und mit ihr Höflichkeiten auszutauschen, als habe ihre stürmische Liebesgeschichte niemals stattgefunden. Es kostete ihn Mühe, denn man vergißt niemals die süße, erste Liebe, aber er war nun erwachsen, und die Höflichkeit verlangte dies von ihm. Man mußte Vorbild sein, wie er sich freudlos immer wieder in Erinnerung rief.
Aber die unglückliche Affäre bestimmte die Richtung seiner künftigen Liaisons. Niemals wieder öffnete er einer Frau sein Herz, und er schwor sich, niemals wieder seine Seele darzubieten, um dann abgelehnt zu werden. Frauen wurden zum bloßen Zeitvertreib für ihn, einem bequemen Instrument für seine Leidenschaften, wenn ihn die Triebe überkamen, oder zum frivolen Spiel, um die Langeweile zu überbrücken.
Zweites Kapitel
Die Verführung
Nikki sprang leichtfüßig über den gurgelnden Bach und ging leise von hinten auf Alisa zu. Sie hatte dem Wasser den Rücken zugekehrt, hielt ihr Skizzenbuch auf dem Schoß und fing mit raschen, sicheren Strichen und in lebhaften Aquarellfarben die Waldlandschaft ein.
»Nikolai Michailowitsch Kuzan, zu Ihren Diensten, Madame«, sagte er leise und ohne nachzudenken in Französisch, der Sprache, in der die russische Oberklasse üblicherweise verkehrte. Es war aber nicht die
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