Drei Tage voller Leidenschaft
ideologische Schranken, und er beteiligte sich im wahren, offenen Geist der allgemeinen Menschheit daran.
An diesem Abend hielt sich Nikki von der üblichen Orgie aus Suff, Tanzen und Huren fern. Mit wenig duldsamer Belustigung und letztendlich völliger Gleichgültigkeit beobachtete er die trunkenen Albernheiten seiner Freunde. Zum Erstaunen seiner Diener zog er sich schließlich zum ersten Mal seit Jahren zur relativ frühen Stunde um ein Uhr allein zurück. Er war sogar nüchtern geblieben. Sie machten sich ernsthafte Sorgen. War der Herr denn krank?
Trotz seiner Trunkenheit und seines exzentrischen Benehmens hatte Nikki die altmodische Neigung, seine Bauern verantwortungsvoll zu behandeln und wurde von diesen dafür geradezu angebetet. Er ging mit seinen Dienern großzügig um, etwas, das die meisten als Weichheit oder Exzentrik bezeichneten. Er interessierte sich aufrichtig für deren Probleme, lachte und scherzte mit ihnen und nahm an ihren Freuden teil. Er hatte von den finnischen Lukashee 2 Reiten, Jagen und Skilaufen gelernt.
Nikkis Leidenschaft für die Jagd geriet manchmal in Konflikt mit seinen Regimentspflichten, aber seine Vorgesetzten schätzten ihn und sorgten mehr als nur einmal dafür, daß er vor den Folgen seiner überzogenen Urlaube oder unentschuldigtem Fernbleiben bewahrt blieb. Nikki war sich der geflüsterten Sorgen seiner Dienerschaft um seine Gesundheit nicht bewußt und schlief die ganze Nacht über tief und friedlich.
Alisa hingegen war nicht so unberührt geblieben. Sie wälzte sich schlaflos in ihren Kissen und beschäftigte sich lange Stunden während der Nacht mit der Frage, ob sie Prinz Kuzan am nächsten Tag wiedersehen sollte. Immer noch unentschlossen fiel sie erst in den Morgenstunden in einen unruhigen Schlaf.
Nikki hatte am Abend zuvor einen Reiter ins Sechsundsechzig Meilen entfernte Petersburg mit einer Nachricht an Iwan losgeschickt, alle neueren Kunstkataloge aus der Bibliothek zusammenzupacken und mit demselben Boten zurückzusenden. Iwan sollte darüber hinaus den Aufenthalt der Schischkin-Landschaft feststellen und diese ebenfalls ins Jagdschlößchen bringen lassen.
Am Vormittag des zweiten Tages der Wette waren die Kataloge mit einem Brief von Iwan eingetroffen, in dem er erklärte, daß das Gemälde mit der Kutsche nachgeschickt würde, da es dessen Größe unmöglich machte, es per Pferd und Reiter zu transportieren.
Nikki suchte die vier neuesten Kataloge aus, die seiner Meinung nach Madame Forseus am stärksten beeindrucken würden.
In bequemen Kleidern verließ er das Haus, ohne seine Freunde zu wecken. Sie schliefen noch ihren Rausch aus, obwohl die Sonne bereits den Zenith überschritten hatte. Nikki trug wieder die Wildlederhosen und das Bauernhemd, wie immer, wenn er sich auf dem Land aufhielt. Er klemmte sich die Bücher unter den Arm und spazierte ohne Eile zur kleinen Lichtung auf der anderen Seite des Baches. Dort legte er sich in die warme Sonne, die Arme im Nacken verschränkt, und wartete auf Alisa. Er war bewußt sehr früh gekommen, um noch vor der Frau an Ort und Stelle zu sein. Alisas Zögern und Angst waren gestern sehr offensichtlich gewesen. Und Nikki fürchtete, sie würde es sich anders überlegen und wieder fortlaufen, wenn er nicht an Ort und Stelle war, um sie zu begrüßen.
Nikki beschäftigte sich, indem er im Geiste die verschiedenen, köstlichen Eigenschaften der schönen Madame Forseus aufzählte. Dieser angenehme Zeitvertreib wurde schließlich von der Ankunft seines Objekts selbst unterbrochen.
Die Jagd war aufs neue eröffnet. Die Beute war in sein Blickfeld getreten. Sie war sogar noch begehrenswerter als in seiner Erinnerung, bemerkte er, als Alisa mit langen, anmutigen Schritten auf ihn zukam. Die schlanken Hüften unter dem feinen Stoff ihres apfelgrünen Kleides wiegten sich elegant.
Nikki schloß kurz die Augen und versuchte, die aufsteigende Leidenschaft zu beherrschen. Dieses schöne Exemplar von Weiblichkeit ganz allein im Wald zu haben und sie nicht gleich zu lieben bedurfte einer fast übermenschlichen Disziplin.
»Guten Tag, Madame Forseus«, begrüßte sie Nikki höflich, erhob sich dabei und verbeugte sich schwungvoll. Er bemerkte ihr Zögern und ihre Unsicherheit und hoffte, ihre Vorbehalte durch seine kühle Förmlichkeit auszuräumen, die sie vielleicht gegen ein Treffen mit ihm hier haben mochte. Noch ein Tag, und sie würden die äußerste Vertrautheit miteinander erleben, dachte er, daher war er
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