Drei Tage voller Leidenschaft
langweilig, und Alisa hätte niemals die Schönheiten von Petersburg gesehen, wenn sie auf seine Begleitung gewartet hätte. In den folgenden Tagen besichtigten Katelina und sie alles von Interesse: Sie sahen den Winterpalast, der nur ein kurzes Stück entfernt von Prinz Kuzans rosa Marmorpalast lag.
Der Winterpalast war seit dem Feuer 1863 noch nicht vollständig wieder hergerichtet und nun von Stossow und Brullow ziegelrot gestrichen, statt im ursprünglichen Hellgrün. Aleksej führte sie nicht nur durch die Eremitage mit den prachtvollen Bildern der russischen Schule, sondern auch durch Säle, die normalen Besuchern verschlossen blieben. Sie spazierten durch den Sommergarten mit seinen schattigen Wegen und unzähligen Marmorstatuen, die Peter der Große aus Italien mitgebracht hatte, besuchten den ersten Palast von Zar Peter, den Sommerpalast, der in bescheidenem, intimeren Rahmen von Trezzini in einem Teil der Sommergärten errichtet worden war. Sie besuchten die verbotene Festung von Peter und Paul, die eher pompös als schön auf der anderen Seite der Newa hochragte. Einen ganzen Morgen verbummelten sie in der Kunstkammer, der ersten Bibliothek und dem ersten Museum in Rußland mit seiner Kuriositätensammlung von chinesischen Manuskripten bis zu ausgestopften Vögeln, aber besonders berühmt für seine beeindruckende Sammlung von skythischem Schmuck.
Ein weiterer Morgen mit Besichtigungen endete mit den Wundern von Zsarskoje Selo und seiner prachtvollen Inneneinrichtung: Das Bernsteinzimmer 5 , dessen Wände vollständig mit Bernstein ausgelegt waren, so hell wie Honig, dann das Glaszimmer, das Malachitzimmer, Camerons Lyoner Zimmer, dessen Wände und Möbel mit hellgelber Lyoneser Seide überzogen waren, in die ein Muster aus Zweigen und kleinen Vögeln eingewebt war. Katharinas höchstpersönliche Schnupftabaksdose – wie sie ihr Privatboudoir nannte, das mit weißem Opalglas und goldenen Applikationen ausgeschlagen war. Die Türen waren von Säulen aus ultramarinfarbenem Glas gerahmt.
Ein weiterer Morgen brachte sie mit einem Dampfboot den Fluß hinab zum gezeitenlosen, salzarmen Golf von Finnland, um den Peterhof zu besichtigen, Rastrellis bewundernswerten gelbweißen Landsitz, der ursprünglich von Peter dem Großen erbaut wurde, um Versaille zu übertreffen. Auf dem Gelände befanden sich zwei kaiserliche Paläste und zahlreiche kleine Sommerhäuser, die mit allem ausgestattet und geschmückt waren, was Reichtum und Geschmack erzielen konnten. Die Gärten übertrafen die feinsten in Europa, gekrönt von einer mächtigen Fontäne und vergoldeten Brunnen, die ihre glitzernde Gischt weit hinaus ins Meer sprühten.
Es herrschte viel Farbe in der Stadtarchitektur: Helle, zarte Pastelltöne schmeichelten an jeder Straßenecke dem Auge. Das Zitronengelb und Weiß der Admiralität und des Puschkintheaters, das dunkle Blau der Smolnykathedrale, der Korallenton des Menschikow-Palasts. Die Rokokofassaden in zarten Pastellen – Lila, Lachs, Pistaziengrün – dienten als Hintergrund für die neoklassizistische nüchterne Architektur des russischen Großreiches unter Alexander I. und Nikolaus I. Breite, glitzernde Kanäle zogen sich wie Adern vom Admiralsplatz aus und teilten die Stadt in drei Teile. Alisa war von der Schönheit dieses Venedig des Nordens wahrhaft beeindruckt.
Ohne daß die kleine Gruppe von Besichtigern dies bemerkte, folgten ihnen Tag für Tag zwei weitere Personen. Sie hielten sich sorgfältig im Hintergrund, was in dem polyglotten Getriebe der verschiedenen Nationalitäten und Trachten nicht schwierig war, die in der Hauptstadt des Reiches umherschwirrten. Die Straßen wimmelten vor wilden und fremdartigen Erscheinungen. Man sah Kosaken vom Don, Georgier aus dem Kaukasus, Tataren, Perser, Eingeborene aus Zentralasien, Chinesen, Lappländer wie auch die buntgescheckte Menge der russischen Bauern, Priester, Mönche und Nonnen.
In diesem Menschenstrom schlichen Forseus’ Spurensucher stumm hinter ihrer Beute her – so hartnäckig wie ein schlechtes Gewissen.
Alisa hatte nicht ein einziges Mal den Marmorpalast allein verlassen, aber sie warteten geduldig: Sechs Männer wechselten sich alle acht Stunden ab, damit stets ein Paar – vier wachsame Augen – vierundzwanzig Stunden am Tag über Alisas Aufenthalt Bescheid wußten und nur auf eine Gelegenheit warteten, um sie zu entführen und zurück zu ihrem Ehemann zu bringen. Forseus war nicht so dumm, sich öffentlich mit dem berühmten,
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