Drei Wunder (German Edition)
ein anderer Teil, der größere Teil, wollte einfach nur die Tatsache genießen, dass sie in einem Auto neben ihrer Schwester saß, auf dem Weg zu einem neuen Abenteuer, während sie darauf warteten, dass die Ampel grün wurde.
Die Mädchen folgten der sich windenden Küstenstraße in die Stadt. Die Sonne begann gerade langsam über dem Pazifik unterzugehen, und in der Ferne spiegelten sich eine Reihe von weißen Booten schimmernd und golden im Wasser.
Sie fuhren auf den Parkplatz des Sausalito Yachthafens, und Violet sprang als Erste aus dem Auto. »Da ist es!«, rief sie und deutete auf ein Sportboot. Olivia erkannte sofort die grüne Wetterplane und die Goldschrift auf einer Seite des breiten Bootskörpers. Sybil. Als sie damals nach Willis zurückgekehrt waren, hatte Violet all ihren Freunden erzählt, dass sie eines Tages auch ein Boot nach sich benennen würde, genau wie ihre Großmutter in Kalifornien.
»Ich kann gar nicht glauben, dass es immer noch hier liegt«, murmelte Olivia und folgte Violet, indem sie einen Satz über das sich kräuselnde Wasser machte und schwer auf Deck landete. Olivia fuhr mit den Händen über die kühle Messingreling, dann trat sie nach unten zur Kabine und spähte durch die runden, getönten Scheiben hinein.
»Wahrscheinlich haben sie es zwischendurch vermietet«, sagte Olivia, und musterte die weißen Laken, die über die Möbel und das schwere antike Steuerrad geworfen waren. Unvermittelt fielen ihr die kleinen Stockbetten ein, die in der Kabine darunter in die Wand gebaut waren. Sie und Violet hatten damals gebettelt, dort schlafen und die Nacht allein auf dem Boot verbringen zu dürfen. Es war ihnen egal gewesen, ob das Boot im Hafen lag oder fuhr, sie wollten einfach nur mit den vielen kleinen Dingen spielen: kleine Kissen, kleine Töpfe und Pfannen, selbst eine kleine Toilette, die durch ein winziges, wie ein Fuß geformtes Pedal gespült wurde.
»Weißt du noch, wie ich dachte, ich hätte die Toilette verstopft, und anfing zu weinen?«, fragte Olivia, löste sich von dem Anblick und drehte sich zurück zu Violet.
Doch das Deck war leer.
»Violet?« rief sie, und ihre bebende Stimme hallte übers Wasser. Panisch überflog sie die blaue Wasseroberfläche und das verlassene Schiff. War es das? , dachte Olivia mit einem hohlen Gefühl in der Magengegend. War ihre Schwester fort? War sie jetzt wieder ganz allein?
»Hier oben«, rief Violet.
Olivia spürte, wie das Blut zurück in ihr Gesicht stieg, und stieß einen erleichterten Seufzer aus. Sie folgte dem Klang von Violets Stimme eine schmale Treppe hoch, die auf das Oberdeck führte.
»Erzähl mir nicht, du hast das Sonnendeck vergessen!«
Olivia schwang ihre Beine über die Reling und fand Violet mit dem Rücken gegen das Vorschiff gelehnt, die Knie angezogen, die Augen auf den dunkler werdenden Himmel gerichtet.
»Wir wohnen in Kalifornien«, sagte Violet andächtig. »Weißt du noch, wie ich immer allen erzählte, dass ich hierherziehen würde, wenn ich erst achtzehn bin?«
Olivia fasste das Handgelenk ihrer Schwester und drückte es kurz. Violets Begeisterung für die Sybil war nur der Anfang einer ganzen Reihe von Westküsten-Träumen gewesen. Sie hatte immer gesagt, sie sei im Grund ihres Herzens ein kalifornisches Mädchen, und hatte davon geträumt, eines Tages auf dem Boot ihrer Großeltern zu leben und damit die Küste auf und ab zu segeln.
Die ganze Zeit, in der es Olivia wegen des Umzugs schlecht gegangen war, hatte sie vergessen, dass es genau das war, was Violet sich am meisten gewünscht hatte. Sie lebte den Traum ihrer Schwester und hatte es nicht einmal gemerkt.
»Na ja, vielleicht ist es wirklich gar nicht so schlecht hier«, gab sie wehmütig lächelnd zu. Ein Segelboot glitt anmutig über die Bucht und verdeckte kurzzeitig die funkelnden Lichter der Stadt, bis sie hinter dem Boot wieder auftauchten.
Violet verdrehte die Augen »Es ist nicht Willis , aber du wirst dich schon daran gewöhnen.«
Olivia lachte. »Es ist nur alles so anders«, sagte sie dann leise. »In der Schule, meine ich.«
»Komm schon.« Violet gab Olivia einen Stoß mit der Schulter. »Du musst dem Neuen nur eine Chance geben.«
Olivia nickte schweigend.
»Außerdem«, fügte Violet hinzu, »haben wir all das zur Unterhaltung.«
Sie breitete die Arme weit aus, als wolle sie die ganze Stadt umarmen, und Olivia musste lachen. Mit Violet neben sich war es fast unmöglich, sich daran zu erinnern, wie das Leben noch vor
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