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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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hätte nicht geschrieben. Ich kann solche Gefühle von Angst und Unsicherheit jetzt nicht gebrauchen, jetzt wo ich gerade dabei bin, die Bühne zu erobern und einen Mann dazu ...
    Da ist es wieder, dies Ziehen in der Brust, dies Drängen. Isabelle zerrt an mir! Noch gestern wollte ich aufgeben, nach diesem unseligen Brief meines Vaters in der Zeitung. Aber seit den Ereignissen am Abend, nach meinem Theaterauftritt, nach dem, was im Taxi zwischen Schlomo und mir geschehen ist – da kann ich wieder zuversichtlich sein.
     
    Es ist, als habe das Schreiben Harald Laskers im »Völkischen Beobachter« eine Lawine ausgelöst. Erschreckend, wie viele Menschen es gibt, die so denken wie er, die so verblendet und verbohrt sind wie er. Beinah jeden Tag fühlen sich »gute Deutsche« nunmehr bemüßigt, dort ihre Meinung über die »Judenplage« kundzutun. Und auch andere, gemäßigtere Zeitungen haben inzwischen jede Zurückhaltung aufgegeben und hetzen gegen die »Söhne Israels«, was das Zeug hält.
    Mendel Laskarow studiert mit Ingrimm die einschlägigen Blätter und kann es nicht lassen, jeden Morgen ein paar Stellen vorzulesen, die wirklich angetan sind, Leonie das Fürchten zu lehren. »Wir lachen über ihre komischen Bräuche und wir entsetzen uns vor ihren Missetaten«, steht da, oder, mit heuchlerischem Mitgefühl: »Mögen sie, wann immer sie uns verlassen haben, eine Umgebung finden, die barmherzig genug ist, sie aufzunehmen.«
    Oft berichtet die Zeitung auch von »Ausbrüchen des Volkszorns«. Immer mehr jüdische Läden werden geplündert, Scheiben eingeschmissen, und immer erscheint die Polizei zu spät. Wenn so etwasvorkommt, wird Leonie ganz schlecht. Die Bäckerei Schmelzler fällt ihr ein, der blutende Mann auf dem Pfl aster – und Gastons Brief ...
    Auch bringt Madame Laskarow eine schlechte Nachricht. Ihr Händler aus dem Scheunenviertel, der ihr die Naturalien des Billettverkaufs abgenommen hat, ist auf dem Nachhauseweg überfallen und sein Karren ist ausgeplündert worden. Mit Mühe konnte er ent kommen, ohne verprügelt zu werden. Er lehnt dies Geschäft nun als zu riskant ab.
    »Was soll ich jetzt machen mit dem Kram?«, fragt sie, ringt die Hände und schlägt ihre schönen Augen zum Himmel auf. »Soll ich einrichten ein Gewölbe voll Mehl und Kaffee und Zucker und sollen wir essen jeden Tag süße Suppe?«
    Eine Vorstellung, über die sich der verwöhnte Heldendarsteller ausschütten könnte vor Lachen. »Also, deine Ängste kann ich nicht teilen. Vielleicht solltest du auf einem Thron aus Mehlsäcken sitzen an der Kasse, das ist schön weich!«
    Der Prinzipal entscheidet schließlich, dass bei den nächsten Vorstellungen Geld angenommen wird. Damit wird die billigere neue Spielstätte, für die man sich aufgrund dieser Katastrophe nun endgültig entscheiden musste, angemietet (ein Festsaal in einem Hotel – dem bekannten Haus Oberländer). Waschkörbe voller Geldscheine wandern nun täglich sogleich nach Vorstellungsbeginn gegen Quittung von der Kasse in den Besitz des Vermieters, der die »Penunse« frischweg mittels undurchschaubarer Transaktionen in Lebensmittel für seine Hotelküche umwandelt.
    Über die weiteren »Zahlungsmodalitäten« im neuen Haus, so bemerkt der Chef, könnte es in der Zukunft noch ein Problem geben. Adi Oberländer sei an einer längerfristigen Partnerschaft wirklich sehr interessiert, mache sie aber abhängig vom Erfolg. Darüber wird man sich Gedanken machen müssen. Doch zuerst haben sie alle Hände voll zu tun. Den neuen Saal inspizieren (alles kleiner als vordem, aber immerhin ein richtiges Theater), wobei Leonie mit leichtem Schrecken sieht, dass sie nun wirklich mitten im Scheunenviertel, in der Grenadierstraße, sitzen. Und dann geht es ein paar Schritte weiter zu dem Hinterhof in der Schendelgasse,wo sich jenes Magazin für Kostüme, Requisiten und Kulissen befindet, von dem Leonie erst vor Kurzem gehört hat: eine verlassene, vergammelte Fabrikhalle, Müll stapelt sich auf dem Kopfsteinpfl aster des Hofs.
    Die drei Laskarows haben Leonie gleich beim ersten Gang ins Magazin dabei, denn sie setzen in ihre Findigkeit unbegrenztes Vertrauen. Auch hier nämlich geht alles wie Kraut und Rüben durcheinander. Was man für den »Bar Kochba« braucht (inzwischen ist es beschlossene Sache, ihn zu spielen; Sulamith wird abgesetzt), ist »da irgendwo«, zusammengepfercht mit den Versatzstücken anderer Tragödien und Komödien. Auf dem Weg haben Herr und Frau Laskarow

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