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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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weiter: »Es geht um die Lage des jüdischen volkstümlichen Theaters in Berlin, besonders in Hinblick auf die Vorkommnisse im Hotel Oberländer, und Sie, als der Prota gonist... Aha.«
    Er lässt den Brief sinken, pfeift durch die Zähne. »Und da rede ich dann in ein Mikrofon und die Leut hören mir zu?« »Zumindest die, die so einen ›Empfänger‹ haben.«
    »Und sie können mir nicht widersprechen?« Er springt auf, schlägt mit der flachen Hand auf den Brief. »Fantastisch! Da kann man ja mal ordentlich Tacheles reden!«
    Seine Begeisterung wird in der Runde nicht geteilt. Mamele guckt ängstlich, der Vater besorgt.
    »Aber wenn du redest Unsinn, wenn du dich blamierst vor de Leut!«
    »Sie können mich ja nicht ausbuhen. Sie können mich höchstens wieder ausschalten«, sagt er und zuckt die Achseln. »Und außerdem werd ich keinen Unsinn reden.«
    »Ich weiß nicht, ob das hilfreich ist im Moment«, bemerkt der Chef. »In dieser Lage, wo wir so ... angefeindet werden ... «
    »Ach!«, sagt der Sohn hitzig. »Und da sollen wir uns lieber tot stellen? Wozu spielen wir den ›Sternensohn‹!?«
    Er wendet sich an mich. »Leonie, sag du auch was!«
    Die ganze Zeit habe ich mich zurückgehalten. Was ist richtig, was ist falsch? Dass Schlomo nicht auf den Mund gefallen ist, das weiß ich. Ich hab ja gerade beschlossen, den Kopf nicht in den Sand zu stecken. Aber ob der Augenblick richtig ist?
    »Ich weiß nicht«, sage ich vage. »Dieser ›Rundfunk‹ ... das ist so fremd und so neu. Und Schlomo ist schließlich Schauspieler und kein Redner.«
    Das waren genau die falschen Worte. Die Augen des Hauptdarstellers leuchten auf. Er fühlt sich herausgefordert. »Na, das wollen wir doch mal sehen!« Er wedelt mit dem Brief in der Luft herum. »Ich mach das. Leonie, kommst du mit?«
     
    Der Rundfunk von Berlin hat seinen Sitz am Potsdamer Platz im Vox-Haus, dem Gebäude, das die große, ursprünglich amerikanische Schallplattenfi rma besitzt. (»Die Stimme seines Herren« steht auf den Plattenaufklebern, und ein kleiner Hund guckt mit schief gelegtem Kopf den Trichter eines Grammofons an.) Das Interview oder Gespräch soll um fünf Uhr am Nachmittag gesendet werden, zehn Minuten lang; man sendet insgesamt vier Stunden.
    Als Leonie und Schlomo aus der U-Bahn steigen, flammen gerade die Gaslaternen auf dem Platz mit seinem Verkehrsrondell auf. Es ist fast dunkel. Früh wird es kalt dies Jahr; jetzt, Ende November, wirbeln schon die ersten Schneefl ocken durch die Luft.
    Der mürrische Pförtner in seinem Glaskasten schickt sie zum Paternoster. »Bis janz oben, wo’s nich mehr weiterjeht.«
    Ein Paternoster ist ein wunderbarer Ort, sich zu küssen. Aber Leonie ist nicht richtig bei der Sache. Was sie da vorhaben, ängstigt sie nun doch.
    Letzter Stock. Schlomo springt schwungvoll aus dem gleitenden Aufzug, hebt sie heraus. Sieht sich um.
    »Der Dachboden!«, sagt er verblüfft. »Die haben den Rundfunk auf den Dachboden verfrachtet!« Er grinst.
    Ja, es ist tatsächlich der Dachboden, wie ihnen ein schnurrbärtiger Herr mittleren Alters mit einem Kneifer auf der Nase händereibend versichert. Er ist ihnen gerade entgegengeeilt, um sie in Empfang zu nehmen. Das Vox-Haus hat freundlicherweise eine Dachkammer zur Verfügung gestellt.
    Eine Dachkammer. So, so. Weit her scheint es ja wirklich nicht zu sein mit dieser neuen Sache.
    Der Herr, der sich als »Leiter des Studios« vorstellt, ist gern bereit, vor Beginn der Sendung auch Fräulein Lamedé die Örtlichkeit zu zeigen. Wenn es dann so weit ist mit dem Interwiew, muss sie allerdings draußen warten. Aber da ist ein so genannter Lautsprecher im Gang. Sie kann mithören.
    Man nimmt ihnen die Mäntel ab, da sind ein paar Haken. Dann öffnet der Mann die Tür.
    Leonie denkt zunächst, man hätte sich im Raum geirrt, denn das ist nichts weiter als eine Rumpelkammer.
    Im Hintergrund hängen zwei Wolldecken über einer Wäscheleine. Eine der Wände und der Plafond sind mit Bahnen von lila Krepppapier verkleidet. An der anderen Wand sitzt vor einem unüberschaubaren Gewirr von Apparaturen (Spulen und Knöpfe, Trichter, Drähte und Membranen) ein junger Mann, Zigarette im Mund, zwei dicke Kopfhörer auf den Ohren, durch die er das Aussehen eines Jagdhundes bekommt. Er nickt den Gästen zu und dreht an seinen Knöpfen.
    »Unser Techniker!«, murmelt der Leiter des Studios respektvoll. »Aha.« Um Schlomos Mundwinkel zuckt es. Er dreht sich mitausgebreiteten Armen um die eigene

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