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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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den Kopf. »Hast du ihn so anreden müssen?«
    »Ich wollte ihn so anreden, aber er fand, Gaston wäre besser.«
    »Er ist ja auch gar nicht mit dir verwandt! Verwandt ist nur diese Isabelle und die müsste so etwas wie deine Urgroßtante sein. Aber das ist ja egal. Wir haben ohnehin mit diesen Franzosen nichts zu schaffen.«
    Leonie schweigt. Warum hat er sie überhaupt hinfahren lassen? Dann sagt sie heftig: »Mir kommt es vor, als wenn du mir im Nachhinein die Reise kaputtreden willst, Papa!« Ihre Mundwinkel zucken.
    Harald Lasker sieht seine Tochter erschrocken an. »So war das nicht gemeint, Kleine! Es ist nur – du weißt, wie ich mich über Un gerechtigkeiten aufregen kann, und wenn ich das höre, wie da jemand in Frankreich lebt wie die Made im Speck, dann ... « Er schluckt. »Ich freue mich doch, dass du mal aus diesem tristen Berlin herausgekommen bist... Aber dass du schon zurückkommst, das hat mir eben doch zu denken gegeben.« Er fasst sie mit zwei Fingernunterm Kinn, hebt ihr Gesicht so an, dass sie ihm in die Augen sehen muss. »Wirklich alles in Ordnung?«, fragt er leise. »Irgendetwas... Ungewöhnliches?«
    Wie gut er sie doch kennt! Merkt, dass etwas »gewesen« ist. Sie zwingt sich zu lächeln.
     
    »Weißt du, dass Isabelle genauso kocht wie du?«, frage ich und versuche, mich vorsichtig heranzutasten an das, worauf ich hinauswill.
    »Was heißt das: Sie kocht wie ich?«, fragt er mit gerunzelter Stirn. »Ich bin Küchenmeister, ein Profi der Extraklasse. Wieso kann eine alte Frau in Südfrankreich so kochen wie ich?«
    Ich bin schon wieder ins Fettnäpfchen getreten!
    »Das meine ich doch nicht, Papa! Ich meine nur, dass Isabelle Laskère die gleichen Gewürze benutzt, wie wir sie nehmen – so wie du mir auch beigebracht hast, zu kochen. Und sie kennt sogar die gleichen Rezepte. Sie kennt Fuego y sapor, denk nur! Ich hab mit ihr zusammen in der Küche gestanden. Es hat Spaß gemacht.«
    Der Vater sagt nichts. Ich stehe auf, nehme das Tuch vom Vogelkäfi g und öffne das Türchen. Lora klettert bereitwillig auf meinen Finger und krächzt: »Lora ist lieb!«
    »Ja, Lora ist lieb!« Ich streichle den Kopf des Tiers. »Sie kennt sogar die gleichen Lieder, wie du sie beim Kochen summst«, sage ich, ohne den Vater anzusehen. »Ich weiß jetzt auch etwas von den Texten und was für eine Sprache das ist. Dieselbe, aus der der Ausdruck Fuego y sapor stammt. Die Sprache heißt Ladino.«
    »So?« Harald Lasker klingt gleichgültig. Wenn er jetzt etwas fragen würde, dann könnte ich sagen: Das ist die Sprache der sephardischen Juden. Dann könnten wir vielleicht Schritt für Schritt ... Aber er fragt nichts. Und als ich ihn schließlich von der Seite anschaue, sehe ich, dass sein Wangenmuskel zuckt. Das kenne ich, ein Sturmzeichen.
    Ich beschließe trotzdem, einen Schritt weiterzugehen. Hole tief Luft.
    »Isabelle und Gaston haben eine Sabbatfeier abgehalten.«
    Schweigen, keine Reaktion.
    Ich nehme all meinen Mut zusammen. »Isabelle ist jüdisch«, sage ich vorsichtig. »Wir stammen aus einer jüdischen Familie, nicht wahr?«
    Harald Lasker kann sehr jähzornig sein. Eigentlich habe ich darauf gewartet, dass er mit der flachen Hand auf den Tisch schlägt und sich den Unsinn verbittet. Aber er bleibt äußerlich ganz ruhig. Nur die Wange zuckt.
    »Das habe ich bei deiner Abreise gemeint«, sagt er leise. »Als ich gesagt habe, du sollst dir keinen Floh ins Ohr setzen lassen. Dass da irgendwelche Reste von diesem – von diesem überlebten Zeug kultiviert werden in den Pyrenäen.«
    Er nimmt mir den Sittich ab und setzt ihn in den Käfi g zurück. Bleibt so stehen, dreht mir den Rücken zu. »Nun hast du’s also erfahren. Ja. Ich habe es befürchtet, aber dann dachte ich: Vielleicht ist diese Frau inzwischen auch .., vernünftig. Hab ich mich also geirrt.«
    Er spricht sehr leise. Nun dreht er sich herum zu mir. »Leonie«, sagt er beschwörend, »diese Dinge sind unwichtig geworden für unser Leben, und sich an sie zu erinnern, kann sogar gefährlich sein. Wir sind deutsch, mein Mädchen! Wir haben Gott sei Dank diese alten überlebten Rituale ablegen können und sind vollwertige Bürger dieses Landes, und wir sind stolz darauf, dass wir nicht mehr als Menschen zweiten Ranges angesehen werden, wie das gang und gäbe war. Du weißt nichts über die Vergangenheit! Ich habe nichts mit jüdischen Gebräuchen und Sitten zu schaffen – und meine Tochter bitte auch nicht!« Jetzt wird er doch noch laut.

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