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Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1

Titel: Drei Zeichen sind ein Wort - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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Es gibt also einen anderen Zweig der Familie, der von meinem Vater totgeschwiegen wird, einen Zweig, den offenbar nicht einmal Isabelle kennt!
    Das würde also heißen, dieser Jonas Laskarow, der 1910 ein Theater in der Grenadierstraße gehabt hat, müsste ihr Großonkel sein, ein zweiter Sohn des nach Berlin ausgewanderten Lasker. Jonas Laskarow. (Aber wieso Laskarow?) Vielleicht hat dieser Jonas Laskarow ja auch eine Familie gegründet. Vielleicht hat sie also einen Onkel, und wenn der Kinder hat, Cousins und Cousinen! Und vielleicht ist der Buchstabe ja auch ...
    Jetzt bloß vorsichtig sein! Langsam voran, mahnt sie sich, nicht das Kind mit dem Bade ausschütten!
    Sie steckt diese Theaterankündigung nicht zurück in das Album, sondern lässt sie in ihrer Rocktasche verschwinden – es macht Mühe, weil ihre Finger so zittrig sind.
    Dann sitzt sie noch einen Moment da, das Album auf dem Schoß. Es hilft alles nichts, sie muss mit dem Vater reden.
    Sie steht auf, lädt sich den aussortierten Stapel Wäsche auf den Arm und das Fotoalbum darauf; Lora kommt ihr nachgefl ogen und landet auf der Schulter.
    Beherzt begibt sie sich in die Küche zu ihrem Vater.
    An der Tür bleibt sie stehen. Harald Lasker arbeitet nicht an seinen Kochrezepten oder macht gerade eine Pause. Er ist bei einerBeschäftigung, die Leonie jedes Mal einen Stich versetzt: Er kramt in seinen Gewürzen.
    Zuerst, als er arbeitslos geworden war, hatte er begonnen, die kleinen Steingutgefäße mit den Korkverschlüssen, die von ihm mit handgeschriebenen Etiketten versehen worden waren, in alphabetischer Reihenfolge zu ordnen – von Anis bis Zimt. Dann hatte er wieder mit einer anderen Anordnung begonnen: diesmal nach den Herkunftsgegenden. Als Drittes wurde dann der Verwendungszweck das Ordnungsprinzip: Zum Backen, zum Braten, für Süßspeisen – aber da gab es natürlich Überschneidungen, und Harald fing wieder von vorn an ...
    Es ist die verzweifelte Beschäftigung eines Menschen, der durch den Verlust seiner Arbeit den Sinn seines Lebens verloren hat, eine vollkommen verrückte Tätigkeit, um deren Nutzlosigkeit Harald Lasker gewiss genauso weiß wie seine Tochter.
    Heute nun ist er auf etwas verfallen, was nichts mit Ordnung zu tun hat. Er öffnet die Steingutgefäße und prüft, ob die Gewürze noch frisch genug sind. Schnuppert an Koriander, Ingwer, Kardamom, Kümmel, Fenchelsamen und Sesam, prüft die Qualität von Paprika, Anis und Kumin reibend zwischen Daumen und Mittelfinger.
    »Willst du Gewürzhändler werden, Papa?«, versucht Leonie zu scherzen.
    Er verzieht den Mund. »Mach dich nicht lustig über mich. Man muss doch seine Zutaten auf dem neuesten Stand halten! Hilf mir lieber!«
    »Also, da bin ich nun wirklich blutiger Laie!«, wehrt sie ab. »Mach mal eine Pause und guck, was ich hier gefunden habe!«
    Sie legt das schwere, lavendelduftende Wäschepaket auf die gemauerte Küchenbank neben dem Herd, wo früher, bevor es fließendes Wasser gab, die Leute ihre Wassereimer abgestellt hatten. »Diese Tischtücher und Servietten aus Mutters Aussteuer – die brau chen wir doch nun wirklich nicht!«
    Harald Lasker seufzt. »Ich dachte immer, du erbst das mal, wenn du heiratest«, sagt er.
    Heiraten? Wenn sie an etwas nicht denkt, dann ist es heiraten. Sie will in die Welt ...
    »Ach, Papa!«
    »Du hast ja recht. Wir geben es in Kommission. Irgendwo müssen auch noch die silbernen Serviettenringe sein. Die können wir dann gleich dazutun«, sagt der Vater trübsinnig.
    Leonie legt das Album vor ihn auf den Küchentisch. »Sieh mal, was da noch war! Im obersten Fach!«
    Lasker wirft einen Seitenblick auf das verschlissene Leder. »Herrje, das alte Ding! Ich dachte immer, man kann es noch mal aufmöbeln lassen und für neue Fotos benutzen, wegen dem Goldschnitt, das ist doch ganz hübsch. Aber es zerfällt wohl, bevor wir diese neuen Fotos jemals haben werden.« Er verkorkt eine Dose mit Wacholder und öffnet die nächste, riecht daran.
    »Was sind das für Leute auf den Bildern?«, fragt Leonie möglichst beiläufi g.
    Wieder wirft der Vater nur einen halben Blick darauf.
    »Ich kenne die auch nicht. Sind, glaube ich, Bekannte von deinem Großvater gewesen.«
    Leonie blättert. »Die sehen ja wirklich vorsintfl utlich aus!«
    Keine Reaktion. Sie findet »zufällig« das Foto der Brüder und gibt sich Mühe, überrascht zu klingen. »Guck mal, Papa! Ist das nicht Großvater, als er ein Junge war?«
    Harald Lasker reckt den Hals. »Sieht

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