Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dreibettzimmer: Roman (German Edition)

Dreibettzimmer: Roman (German Edition)

Titel: Dreibettzimmer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
Vom Netzwerk:
und einen Brotkorb vor uns auf den Tisch stellt.
    »Der ›Familienurlaub‹. Die Texte werden von den Gästen geschrieben. Familie Fröhlich habe ich bereits verpflichtet. Außerdem erwartet uns in den nächsten Ausgaben eine Analyse der Tiroler Architektur. Jeannie ist übrigens die Chefredakteurin. Falls Sie Lust haben, auch etwas beizutragen …«
    Ich mustere sie. Ist das ein Test? Ahnt sie, dass ich investigativer Journalist bin und kein echter Familienvater?
    »Das würde ich furchtbar gern machen, aber ich habe es nicht so mit Worten. Bin eher der praktisch veranlagte Typ: Automechaniker. Den Mustang auf dem Parkplatz hab ich selbst zusammengeschraubt.«
    Auf den Gesichtern der anderen Gäste macht sich freundliches Desinteresse breit. Anne legt ganz selbstverständlich ihre Hand auf meinen Arm, wie es die Frau des Architekten eben gemacht hat. Die Hand fühlt sich trocken und kalt an.
    »Sie sollten mal seine Geburtstagskarten sehen: voller Rechtschreibfehler, Satzbauschwächen und ohne jeden Sinn für Struktur. Irgendwie rührend – aber leider kaum lesbar.«
    Frau Sommer legt die Broschüre beiseite und wirft mir einen verächtlichen Seitenblick zu.
    »Keine Sorge, wir sind hier nicht in der Schule. Legasthenie kommt in den besten Familien vor«, erklärt sie. »Habe ich mal gelesen.«
    Ich nicke beschämt und schaue sicherheitshalber so treudoof wie möglich.
    Als Jeannie mir Wein einschenkt, verschüttet sie einen Tropfen, der wie eine Träne am Bauch meines Glases herunterperlt.
    Die Direktorin räuspert sich und stellt die Highlights der kommenden zwei Wochen vor: »Bewegung und Tanz mit Eltern und Kids«, »Papa & Kind-Yoga«, »Babyschwimmen«, »Ausflug in die Furten-Therme« und, darauf ist sie besonders stolz, den »Ötzi-Paleo-Cup«.
    »Mehr wird noch nicht verraten«, erklärt Frau Sommer mit verheißungsvollem Lächeln. »Ein bisschen Überraschung muss ja auch sein.«
    Finde ich nicht. Zum Glück kommt jetzt der erste Gang: Fischstäbchen auf Limonenschaum.
    Leonie isst nur die Panade und entlässt das Fischfilet unter den Tisch in die Freiheit. Dann malt sie mit dem Finger Gesichter in den Limonenschaum. Die Kinder der Familie Fröhlich dagegen können besser mit Messer und Gabel umgehen als ich – kein Wunder, als Träger des Goldenen Bubsi. Paula schiebt ihr Teddybesteck weit von sich und verlangt ein Fischmesser.
    Anne unterhält sich währenddessen mit dem Architekten über patriarchalische Gebäudestrukturen. Ob ihm schon einmal aufgefallen sei, wie viele Schornsteine in Wirklichkeit Phallussymbole seien?
    »Die hätte man ja auch brustförmig bauen können«, schlägt Frau Fröhlich vor. Keine schlechte Idee. Muss mir unbedingt ihre Handynummer besorgen.
    Oma Eisenstein lächelt gütig und sieht Leonie über den Tisch großmütterlich an.
    »Leider waren uns keine eigenen Kinder vergönnt«, erklärt sie. »Das Einzige, was unserem Leben fehlt.«
    »Sie können ja Leonies Oma sein, während wir hier im Hotel sind«, schlägt Anne vor.
    Die Augen der alten Frau hellen sich auf. Geniale Idee: ein Gratisbabysitter. Außerdem wird eine Oma unsere Tarnung perfekt ergänzen.
    Oma Eisenstein deutet der Reihe nach auf Anne, mich und zum Schluss auf sich selbst. Dabei erklärt sie: »Mama, Papa und Oma.«
    Leonie beobachtet sie konzentriert und schüttelt den Kopf.
    »Papa zu Hause.« Mein Herz klopft so laut, dass es die anderen bestimmt hören. Die Oma stutzt und deutet auf mich. »Aber da sitzt der Papa doch!«
    Leonie schaut mich an. »Nicht der Papa!«, ruft sie.
    »Doch, meine Kleine. Das ist der Papa.«
    Auch die anderen Gäste schauen überrascht. Ich will Leonie väterlich über den Kopf streicheln, aber sie duckt sich weg. Misstrauische Blicke. Nur Frau Fröhlich nickt mir aufmunternd zu.
    »Da gab es doch mal diese Kinderserie mit den vermenschlichten Dinosauriern – das Baby hat den Vater immer ›Nicht die Mama‹ genannt.«
    Dankbar greife ich nach dem Rettungsring: »Ja, genau, die schaut Leonie immer.«
    Aber jetzt verdüstern sich die Mienen erst recht.
    »Sie lassen ein zweijähriges Kind eine Fernsehserie schauen?«, fragt die Architektin und schüttelt entsetzt den Kopf.
    Der Psychologe zückt einen kleinen Lederblock und notiert sich etwas.
    »Keine Thriller«, erkläre ich.
    Anne winkt ab. »Das war nur einmal ganz, ganz kurz. Zum Haareschneiden, damit sie stillhält.«
    Ein verständnisvolles »Aaaah« von allen Seiten.
    Hier ist ja mehr Glatteis als oben auf dem

Weitere Kostenlose Bücher