Dreifach
Gepäckaufkleber lagen in einem Papierkorb auf dem kleinen Flur. Der Wohnort von Schulz und seiner Frau war Boston, Massachusetts, was wahrscheinlich bedeutete, daß der Professor in Harvard, am MIT oder an einer der weniger bedeutenden Universitäten der Gegend lehrte. Tofik stellte ein paar rasche Berechnungen an. Schulz mußte während des Zweiten Weltkriegs zwischen zwanzig und dreißig gewesen sein; er konnte leicht zu den deutschen Raketenexperten gehören, die nach dem Krieg in die USA gegangen waren.
Oder auch nicht. Man brauchte kein Nazi zu sein, um für die Araber zu arbeiten.
Nazi oder nicht, Schulz war ein Geizhals: Seine Seife, Zahnpasta, Schaumbad und sein Rasierwasser stammten ohne Ausnahme aus Flugzeugen und Hotels.
Auf dem Boden neben einem Rohrstuhl, nicht weit von dem Tisch mit den leeren Cocktailgläsern, lag ein linierter Notizblock, dessen obere Seite leer war. Auf dem Notizblock befand sich ein Bleistift. Vielleicht hatte Schulz Aufzeichnungen über seine Reise gemacht, während er seinen Gin schlürfte. Tofik durchsuchte das Apartment nach Seiten, die der Professor aus dem Block herausgerissen hatte. Er fand sie auf dem Balkon; sie waren in einem großen gläsernen Aschenbecher zu Asche verbrannt.
Die Nacht war kühl. Zu späterer Jahreszeit würde die Luft warm sein und nach Blüten des Jakarandabaums im Garten duften. Der Stadtverkehr röhrte in der Ferne. Tofik wurde an die Wohnung seines Vaters in Jerusalem erinnert. Er fragte sich, wie lange es noch dauern würde, bis er Jerusalem wiedersah.
Er hatte getan, was er hier tun konnte. Aber er nahm sich vor, den Notizblock noch einmal zu prüfen, um zusehen, ob Schulz’ Bleistift einen Abdruck auf der Seite hinterlassen hatte. Er wandte sich von der Brüstung ab und ging über den Balkon zu der Fenstertür, die in den Salon führte.
Er hatte die Hand auf den Türgriff gelegt, als er die Stimmen hörte.
Tofik erstarrte.
»Tut mir leid, Liebling, ich konnte einfach kein zu stark gebratenes Steak mehr vertragen.«
»Aber wir hätten doch irgend etwas essen können, um Himmels willen.«
Schulz und seine Frau waren zurück.
Tofik überlegte eilig, wie er die Räume hinterlassen hatte: Schlafzimmer, Badezimmer, Salon, Küche ... Alles, was er angefaßt hatte, war wieder an seinem Platz, außer dem kleinen Plastikkästchen. Das mußte er ohnehin behalten. Schulz würde hoffentlich annehmen, daß er es verloren hatte.
Wenn Tofik nun ungesehen verschwinden konnte, würden sie von seinem Besuch vielleicht nie etwas ahnen.
Er schob sich über die Brüstung und hing in voller Länge nur an seinen Fingerspitzen. Es war so dunkel, daß er den Boden nicht erkennen konnte. Er ließ sich fallen, landete leichtfüßig und schlenderte davon.
Es war sein erster Einbruch gewesen, und er war mit sich zufrieden. Die Sache war so glatt abgelaufen wie eine Trainingsübung, obwohl die Bewohner zu früh zurückgekehrt waren und der Spion sich plötzlich über eine vorher bedachte Notroute hatte empfehlen müssen. Er grinste. Vielleicht würde er doch noch lange genug leben, um zu seinem Schreibtischposten zu kommen.
Tofik stieg in seinen Wagen, startete den Motor und schaltete die Scheinwerfer an.
Zwei Männer tauchten aus dem Schatten auf und standen zu beiden Seiten des Renault.
Wer ...?
Er nahm sich nicht die Zeit, den Dingen auf den Grund zu gehen, sondern rammte den Schalthebel in den ersten Gang und fuhr an. Die beiden Männer sprangen zur Seite.
Sie machten keinen Versuch, ihn anzuhalten. Weshalb waren sie dagewesen? Um sicherzugehen, daß er im Auto blieb ...?
Er trat voll auf das Bremspedal und blickte auf den Rücksitz. Dann erkannte er mit unendlicher Trauer, daß er Jerusalem nie wiedersehen würde.
Ein großer Araber in einem dunklen Anzug lächelte ihn über die Mündung einer kleinen Pistole an.
»Weiterfahren«, sagte der Mann auf arabisch, »aber nicht ganz so schnell, bitte.«
F: Wie heißt du?
A: Tofik el-Masiri.
F: Beschreibe dich selbst.
A: Alter sechsundzwanzig, einen Meter fünfundsiebzig, hundertachtzig
Pfund, braune Augen, schwarzes Haar, semitische Züge, hellbraune Haut.
F: Für wen arbeitest du?
A: Ich bin Student.
F: Was für ein Tag ist heute?
A: Samstag.
F: Deine Nationalität?
A: Ägyptisch.
F: Wieviel sind zwanzig minus sieben?
A: Dreizehn.
Die oben aufgeführten Fragen dienen dazu, die Feineinstellung des Lügendetektors zu erleichtern.
F: Du arbeitest für die CIA.
A: Nein. (WAHR)
F: Für die
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